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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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würde, Minister Fontana darauf hinzuweisen, er möge eine Auswechslung des Zivilgouverneurs von Lleida erwägen, weil er ein Mann ohne Kultur und ohne Manieren ist und mir das Leben schwergemacht hat, als ich ihm gesagt habe, ich wolle die Pisten erweitern, und das, obwohl ich alles Recht der Welt dazu habe (und Minister Fontana würde das Büchlein aufschlagen, in dem er die zu erledigenden Aufgaben verzeichnete, und würde sich mit seiner ameisenkleinen Schrift einen Vermerk machen, weil er sich dieser großen Dame gegenüber erkenntlich zeigen wollte. Und um deutlich zu machen, daß er auf ihrer Seite stand, würde er mißbilligend mit der Zunge schnalzen und sagen, wir wissen ja, wie García Ponce ist. Ich versichere Ihnen, daß ich mich darum kümmern werde), betrat das Wohnzimmer von Quiques kleiner Wohnung, die sie selbst finanzierte, mit klopfendem Herzen, und dachte, wenn ich jemanden finde, werde ich weinen, aber ich bin entschlossen, alle Geliebten aufzustöbern, die sich in seinen Schränken verstecken könnten.
    »Wie du willst«, sagte Quique im gleichen gekränkten Tonfall, während er in die Küche ging. »Während du unter den Betten nachsiehst, mache ich dir einen Kaffee.«
    Elisenda, die heimliche Geliebte, blickte sich um. Nichts zu sehen. Sie war untröstlich über die Szene, aber sie mußte sein. Nichts zu sehen. Die sechs Pokale, zwei für Slalom, einer für den Riesenslalom von Sestriere und ein weiterer für das Internationale Abfahrtsrennen von Tuca Negra, bei dem Quique gegen Magnus Enqvist höchstpersönlich um sein Leben gefahren war und ihm mit acht Zehntelsekunden Vorsprung nur deshalb die Goldmedaille abgejagt hatte, weil er das Gelände, den Schnee und die Luft kannte, weiler, wenn er nicht gerade in Barcelona war, um zu vögeln, wie ein Besessener die Pisten hinabfuhr. Anstatt in Quiques Schlafzimmer zu gehen und unter dem Bett nachzusehen und Mamen, diese Schlampe, zu erwischen, setzte sie sich aufs Sofa, vor die Pokale. Quique kam aus der Küche. Er trocknete sich an einem zweifelhaften Tuch die Hände ab: »Hast du deine Runde schon beendet? Betten? Schränke? Alles durchsucht?«
    Sie blickte zur Seite, tastete nach einer Zigarette auf dem Tischchen, in dem Lederetui, das sie ihm am Tag nach der Nacht mit den fünf Orgasmen geschenkt hatte. Noch war es zehn Jahre hin, bis sie zu einer militanten Ex-Raucherin würde. Quique setzte sich neben sie und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter, eine Geste, nach der sich Rechtsanwalt Gasull, Jacinto Mas und verschiedene Minister seit Jahren verzehrten. Elisenda sah noch immer durch die vor ihr liegende Wand hindurch.
    »Was hast du?« fragte er mit seiner verführerischsten Stimme. »Warum quälst du mich so?«
    »Ich kann unmöglich wissen, ob du mir treu bist.« Jetzt entblößte sich Senyora Elisenda wirklich, obwohl sie sich in Grund und Boden schämte, einen gutaussehenden Skilehrer um Treue anzuflehen.
    »Zählt mein Wort denn nicht?«
    »Ehrlich gesagt, nein.«
    »Nun, laß dir gesagt sein, daß ich dir treu bin, vom Scheitel bis zur Sohle. Was hätte ich davon, dich zu betrügen?«
    Sie schwiegen. In der Küche begann die Kaffeemaschine zu pfeifen, wie aus Protest gegen die Schwüre Quiques, des treuen Liebhabers. Quique verstand, daß er handeln mußte, und so sagte er, »Damit du siehst, daß ich dir treu bin, daß ich dein treuer Liebhaber bin«, packte Elisenda, zerrte sie mit wohlkalkulierter Schroffheit hoch, streifte ihr die Jacke ab und riß ihr die Bluse vom Leib, während sie ihren Rock aufhakte.
    Mamen Vélez de Tena (die Ehefrau von Ricardo Tena vonder Export-Import GmbH), mit der die drei Jahre jüngere Elisenda Vilabrú eine Freundschaft verband, die darauf bestand, daß sie einander alles mögliche anvertrauten, beobachtete aufgewühlt durch den Türspalt des Schlafzimmers, wie Quique, ein richtiger Kerl, die Kaffeemaschine brodeln ließ und der Vilabrú den Rock mit jener Wildheit herunterzog, die Mamen jedesmal schaudern machte. Im Handumdrehen hatte er sich ausgezogen und legte Elisenda sanft aufs Sofa. Mamen bemerkte, daß der treue Liebhaber, das alte Schwein, sich so plazierte, daß sie durch den Türspalt zusehen konnte. Wer hätte gedacht, daß die Vilabrú, die gut und gerne fünfundfünfzig war, es mit diesem Vieh trieb! Je frömmer, desto nuttiger. Sie hatte immer gedacht, Elisenda wäre über diese Dinge erhaben, und nun vögelte sie mit Quique und wer weiß, mit wem noch, die alte … Mamen Vélez

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