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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Schatten hinab.
    Re war im Begriff, von Nut verschluckt zu werden.
    Es war so weit!
    Er drehte sich wieder um und ging zurück zu der gemauerten Schlafstatt, um sich zu setzen. Dann nahm er einen Becher und schüttete den Inhalt des tönernen Röhrchens hinein. Zum Schluss goss er ihn voll mit Wein und rief Usirhotep zu sich.
    Gehorsam kam der Knabe zu ihm.
    Kaum hatte Amunhotep ihn auf den Schoß genommen, schmiegte sich der Junge an seine Brust. Zärtlich nahm er ihn in die Arme und drückte ihn an sich. Er gab ihm einen Kuss auf seinen kahl rasierten Schädel, zwirbelte seine Jugendlocke, und es traten ihm die Tränen in die Augen. Er schniefte, und verwundert sah Usirhotep ihn aus seinen großen grünen Augen an.
    Unser Sohn hat die Augen seiner Mutter, durchfuhr es Amunhotep, und die Erinnerungen an Meritusir überwältigen ihn.
    Er sah sie blutüberströmt und verschmutz auf den Planken seiner Barke liegen, nachdem ihm Ramses befohlen hatte, sie mit nach Abydos zu nehmen, um sie gesund zu pflegen.
    Es fiel ihm der Abend ein, an dem er sie losgeschickt hatte, damit sie ihm ein paar Schriftrollen aus der Bibliothek des Lebenshauses holte. Plötzlich hatte sein Badediener in seinem Arbeitszimmer gestanden, die Papyri unter dem Arm. Wütend war er daraufhin zu Meritusir ins Badehaus geeilt, um sie zu tadeln. Sein Zorn war damals schnell verflogen, denn ihren linken Oberarm zierte plötzlich ein heiliges Mal.
    »Ja, da hieß sie noch Satra«, formten seine Lippen, doch kein Laut drang aus seinem Mund.
    Er sah ihr Gesicht, wie sie sich über ihn gebeugt hatte, nachdem er nur knapp einem Mordanschlag entgangen war. Er entsann sich ihrer Worte, die sie ihm über die graue Masse in seinem Schädel erzählt hatte, und es wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er es immer versäumt hatte, sie danach noch einmal zu befragen. Nun war es zu spät. Meritusir war fort, und schon bald würde er nicht mehr unter den Lebenden weilen.
    Weitere Erinnerungen überkamen ihn wie eine mächtige Flut.
    Meritusir im Palast von Memphis, wo sie Ramses und ihm erzählt, dass sie aus der Zukunft sei.
    Meritusir in seinem Schlafgemach in Abydos, als er ihr seine Liebe gesteht und sie ihm antwortet, dass sie diese erwidern würde.
    Meritusir glücklich und zufrieden in der Geburtslaube mit dem kleinen Usirhotep im Arm.
    Meritusir!
    Meritusir!
    Meritusir!
    Amunhoteps letzte Erinnerung an seine Gemahlin stammte aus Abu Simbel, ihr letzter Kuss, der Abschied. Sie dreht sich um und geht für immer aus seinem Leben.
    Wo mochte sie jetzt wohl sein? Was tat sie gerade in ihrer Welt? Dachte sie womöglich an ihn?
    Er wusste es nicht, doch er wusste, dass er als Letzter das Geheimnis ihrer wahren Herkunft mit in den Tod nahm. Nur Osiris Ramses war es bekannt gewesen, dass Meritusir aus einer viel späteren Zeit gekommen war. Nun war sie in ihr einstiges Leben zurückgekehrt.
    Amunhotep tauchte aus seinen Erinnerungen wieder auf und strich seinem Sohn liebevoll über die Wange. Still bat er ihn um Vergebung und reichte ihm den Becher. »Ich hab dich lieb, Usirhotep, doch nun trinke das.«
    Folgsam nahm der Knabe ein paar winzige Schlucke, die bereits genügten, dass sich sein Körper verkrampfte. Ein Schütteln durchfuhr Usirhoteps Leib. Seine Augen weiteten sich. Ein letztes Aufbäumen, dann war es vorbei. Das junge Leben war aus seinem Herzen gewichen.
    Amunhotep stieß einen dumpfen Laut aus und drückte den leblosen Körper seines Sohnes an seine Brust. Er gab er ihm einen allerletzten Kuss, setzte den Becher an die Lippen und trank ihn bis zur Neige.

SECHSUNDZWANZIG
     
     
     
     
     
     
     
    »Warum, Sethi?«, heulte Bintanat, als sie dem König endlich in seinen privaten Gemächern gegenüberstand.
    Seit der Verhandlung gegen Amunhotep und dessen Hausverweser war Ramses-Sethherchepeschef für sie nicht zu sprechen gewesen. Bintanat konnte sich schon denken, warum er sie nicht hatte sehen wollen. Sethherchepeschef war sicher bewusst, dass sie um das Leben von Amunhotep betteln würde. Beharrlich hatte sie wieder und wieder bei ihm angefragt, bis sie nun endlich vor ihm stand.
    »Warum musstest du Amunhotep zum Tode verurteilen?« Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich. »Verschone wenigstens seinen Leib und ermögliche es ihm, ins Reich des Osiris einzugehen.«
    »Das geht nicht, meine Liebe«, antwortete er kalt. »Ich habe mein Urteil über ihn gefällt. Sein Leib wird in diesem Moment den Tieren der Wüste zum Fraß

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