Die Strafe des Seth
verfügt, dass die Körper meines Sohnes und meines Enkels in die westliche Wüste geschafft und den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen werden sollen. Das muss ich verhindern. Ich will, dass ihre Leiber mumifiziert und somit erhalten bleiben, damit ihr Ba wieder zurückkehren kann. Helfe mir, sie Pharaos Männern zu entreißen, und ich werde auf ewig dein Verbündeter sein.«
»Du hast mein Wort, Nesamun«, erwiderte Chaemwaset ohne Umschweife. »Mir untersteht das Regiment des Amun. Irinefer steht mit seinen Kriegern der Seth-Division ebenfalls treu zu mir, obwohl ich nicht glaube, dass wir sie alle benötigen werden.« Er musste schmunzeln, und zum ersten Mal zeigte sich auch auf Nesamuns Gesicht der Anflug eines Lächelns. »Wir werden die Körper der beiden den Priestern des Anubis übergeben, damit diese sie auf ihre Reise zu den Göttern vorbereiten können.«
»Danke, Hoheit.« Nesamun neigte den Kopf. »Ich werde es meinem Sohn sagen. Vielleicht fällt es ihm mit diesem Wissen etwas leichter, das zu tun, wozu er gezwungen wird.«
»Mache das, doch verbleibe in deinem Amt«, bat Chaemwaset. »Du kannst mir nur helfen, wenn du der Hohepriester von Opet-sut bist. Wenn du dein Amt niederlegst, hat Ramses-Sethherchepeschef legal die Möglichkeit, einen von seinen Anhängern in dieses zu berufen ... und er muss sich dabei noch nicht einmal gegen die göttliche Ordnung vergehen.«
Müde neigte der Priester abermals das Haupt. »Ich verspreche es dir nicht, werde aber darüber nachdenken, Hoheit.«
»Danke, Nesamun.« Chaemwaset erhob sich von seinem Stuhl. »Und nun gehe zu deinem Sohn und deinem Enkel. Grüße Amunhotep von mir und bitte ihn, mir zu vergeben. Hätte ich in Abydos meinen rechtmäßigen Anspruch auf den Horusthron eingefordert und nicht meinem Onkel erlaubt, Ramses’ Mumie in sein Grab zu bringen, wäre das alles nicht passiert.« Er seufzte, und sein Gesicht war von tiefer Trauer gezeichnet. »Vielleicht kann ich etwas von meiner Schuld abtragen, wenn ich dir helfe«, fügte er leise hinzu und senkte den Blick. »Sage Amunhotep, dass ich jeden Tag für ihn und seinen Sohn beten werde. Ich stehe bis in alle Ewigkeit in seiner Schuld.« Er schluckte hörbar. »Und bitte ihn, meinen Vater und meine Brüder im Reich des Osiris von mir zu grüßen. Ich werde sie nie mehr enttäuschen.«
»Ich werde es ihm ausrichten, Hoheit.«
Der Prinz verneigte sich vor dem alten Hohepriester und ging zur Tür. Als er den Türgriff schon in der Hand hatte, drehte er sich ihm noch einmal zu. »Der Große Gott Seth nannte mich in meinem Traum Ramses-Chaemwaset.«
Ohne auf eine Erwiderung zu warten, öffnete er die Tür und war verschwunden.
Nachdem Chaemwaset gegangen war, begab sich Nesamun zum Palast des Königs. Er wollte seinen Sohn ein letztes Mal in die Arme schließen und Usirhotep auf den Schoß nehmen, ihn drücken und einen Kuss geben. Ein letztes Mal wollte er das heitere Lachen des Knaben hören, doch bezweifelte er, dass sein Enkel nach drei Tagen in dieser düsteren kleinen Zelle noch fröhlich sein konnte.
»Danke, dass du noch einmal gekommen bist.« Amunhotep trat auf seinen Vater zu und umarmte ihn.
Nachdem sich Nesamun aus den Armen seines Sohnes gelöst hatte, nahm er seinen Enkel hoch und humpelte mit ihm zu der gemauerten Liege, die den beiden als Schlafstatt diente.
»Mein Vater hat mir gesagt, dass wir heute Abend den Großen Gott Osiris in seinem Reich besuchen werden«, plapperte Usirhotep und sah seinen Großvater beglückt an. »Und er hat mir erzählt, dass meine Mutter gar nicht tot ist, sondern von Osiris dem Pharao gesandt wurde, damit sie ihm mit meinem Vater beim Bau seines Grabes helfen kann.« Er umarmte Nesamun und drückte sein Gesicht an seine Wange. »Ich liebe den Großen Gott Osiris, Großvater, und wenn ich einmal ein Mann bin, werde ich ihm als Priester dienen.« Er lachte und sah Nesamun fröhlich an.
Nesamun schnürte es fast die Kehle zu.
Amunhotep hatte seinen priesterlichen Schwur gebrochen, um seinem Sohn die Wahrheit über seine Mutter zu erzählen. Er hatte ihm auch gesagt, dass sie heute Nacht in das Reich des Osiris eingehen würden. Der Junge war aber noch zu klein, um die volle Tragweite seiner Worte zu verstehen.
Er schluckte die Tränen hinunter und gab dem Knaben einen Kuss auf die Stirn. Dann setzte er ihn auf seine eigenen Füße, um mit seinem Sohn reden zu können.
Usirhotep sah etwas bekümmert drei, denn er wäre gern noch ein Weilchen
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