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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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endlich von ihren Leiden erlöst wurde und Anubis sie zu sich rief.
    Während der siebzig Tage dauernden Trauerzeit blieben Amunhotep, Meritusir und Usirhotep bei Nesamun auf dessen Anwesen vor den Toren von Theben. Nesamuns jüngerer Bruder Amenophis übernahm in dieser Zeit die Aufgaben des trauernden Hohepriesters in Opet-sut so wie Netnebu die von Amunhotep und Meritusir in Abydos.
    Als die Mumie schließlich in ihrem Haus für die Ewigkeit in den westthebanischen Bergen zur letzten Ruhe gebettet worden war, kehrten die beiden Osiris-Priester wieder nach Abydos zurück, doch zuvor besuchten sie ihr eigenes Westliches Haus im Königstal, in dem die Arbeiten beinahe vor dem Abschluss standen.
    Ein riesiger Sarkophag aus Granit wartete bereits auf einem der beiden Sockel auf seinen Besitzer, der zweite war noch nicht fertiggestellt. Es hatte unter den Arbeitern in den Granitsteinbrüchen Unruhen gegeben, weil die Nahrungsmittellieferungen verspätet und in zu geringen Mengen eingetroffen waren. Das hatte zu Verzögerungen geführt. Inzwischen war die gewohnte Ruhe und Ordnung wieder eingekehrt.
     
    * * *
     
    Zwei Tage vor ihrer Abreise bat Meritusir Nesamun um die Erlaubnis, sich den Tempel des Amun-Re ansehen zu dürfen.
    »Dein Wunsch sei dir gewährt.« Aufmunternd nickte Nesamun ihr zu. »Ich stelle dir einen Priester zur Seite, der den Tempel sehr gut kennt.« Sein Blick glitt lächelnd zu Amunhotep.
    »Danke, Vater«, sagte Meritusir und verneigte sich leicht. Sie ergriff Amunhoteps Hand, und zusammen begaben sie sich aus Nesamuns Amtsstube.
    Sie benötigten den gesamten Tag, um alle Hallen, Höfe und Sanktuarien zu durchstreifen. Der Amun-Tempel war der größte in den Beiden Ländern. Seit Jahrhunderten war er stetig verschönert und vergrößert worden. Die Pylone und Statuen verblichener Herrscher, die Obelisken und Säulengänge – Meritusir konnte sich einfach nicht sattsehen. Am meisten beeindruckt war sie vom Großen Säulensaal mit seinen einhundertvierunddreißig riesigen Pfeilern. Er war von den Handwerkern von Sethos I. begonnen und von denen von Ramses II. fertiggestellt worden und übertraf alles, was sie bisher gesehen hatte.
    Der Osiris-Tempel hatte Meritusir schon tief beeindruckt, der des Amun-Re raubte ihr den Atem. Dagegen war das abydonische Heiligtum nur eine Miniaturausgabe und das nicht nur in seiner Größe, sondern auch in seiner Pracht. In Theben waren alle Räume mit dünn getriebenen Blechen aus Gold, Silber, Elektrum oder Bronze verkleidet. Überall funkelten kostbare Edelsteine an den Wänden und Decken. Die Farbenpracht war schier erdrückend. Sie kam aus dem Staunen einfach nicht heraus.
    Das konnte nicht das Werk von unterdrückten, gepeinigten Menschen sein, wie viele das in ihrer Zeit glaubten. Kein bis aufs Blut gepeitschter Gefangener oder, um das Wort aus ihrer Sprache zu verwenden,
Sklave
hätte je so viel Schönheit und Erhabenheit erschaffen können. Das hier war das Werk von kunstfertigen Handwerkern, denen es ein tiefes inneres und religiöses Bedürfnis gewesen war, für ihren Gott ein solches Heiligtum zu errichten. Es war weder Prunksucht noch Größenwahn der Pharaonen, die solche Wohnstätten der Götter befahl. Es war einzig und allein die Liebe und der tiefe Glaube eines Volkes an jene Wesen, denen sie ihren Ursprung und ihr Leben in Harmonie, Frieden und Wohlstand verdankten, und die sie deshalb ehrlich und aufrichtig verehrten.
    Tief beeindruckt zog sich Meritusir an jenem Abend allein in ihre Gemächer zurück, um das, was sie gesehen hatte, für immer tief in ihrem Gedächtnis zu bewahren.

FÜNF
      
     
     
     
     
     
     
    Ramses weilte seit gut zwei Monaten wieder in seiner Hauptstadt im Delta und nahm wie gewohnt die morgendliche Berichterstattung seiner obersten Beamten entgegen.
    »Es gibt beunruhigende Meldungen aus den Fremdländern«, sagte Wesir Nehi und sah besorgt in die Runde. »Unsere Späher berichten, dass sich die Stämme von den Inseln im Großen Grün zusammenzurotten scheinen. Es besteht die Möglichkeit, dass sie gegen uns in den Krieg ziehen werden.«
    »Schon wieder«, erwiderte Ramses seufzend. »Nimmt das denn nie ein Ende? – Befehle den Generälen, ihre Regimenter in Alarmbereitschaft zu versetzen und alles für einen eventuellen Krieg in die Wege zu leiten.«
    »Sehr wohl, Majestät.« Unruhig trat Nehi von einem Fuß auf den anderen. »Die Divisionen des Amun und des Seth befinden sich derzeit nicht in Per-Ramses,

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