Die Strafe des Seth
selbst der Herr der Beiden Länder nicht anrühren!«
»Möglich, Majestät, ich denke allerdings, dass sich Sethi darum wenig scheren würde. Er wird bereits gegen alle göttlichen Regeln verstoßen haben, wenn er endlich auf dem Horusthron sitzt, sodass ihn das auch nicht mehr abhalten würde. Ihm ist sicher bewusst, dass sein Herz so oder so dem Ungeheuer Ammit gehört.«
Nachdenklich starrte Ramses vor sich hin. Auch Amunhotep sagte kein Wort und blickte nur gedankenversunken zu den Lichtern am Ufer des Flusses, die warm zu ihnen herüberschienen.
»Du bist nicht davon abzubringen, dass mir mein Onkel nach dem Leben trachtet«, sagte Ramses nach einer Weile. »Selbst deine Erklärung klingt nachvollziehbar. Dennoch, ich kann Sethi nichts nachweisen. Ich habe ihm in der Zwischenzeit sogar erneut mein Vertrauen ausgesprochen. Er darf sich wieder frei bewegen und ist sogar mit nach Theben gereist.«
»Was, Sethi ist hier?«, platzte Meritusir heraus und bemerkte, dass auch Amunhotep einigermaßen überrascht war.
»Ja, Meritusir. Es wäre gegen die Maat, wenn ich ihn länger in seinem Haus festgesetzt hätte, ohne einen einzigen triftigen Beweis in der Hand zu haben.«
»Das war ein Fehler, Majestät.« Meritusir schnappte nach Luft.
»Du wagst es, mir einen Fehler zu unterstellen?«
»In der Tat, Majestät. In deiner Zeit ist das sicher eine Ungeheuerlichkeit. In meiner allerdings müssen sich Herrscher so etwas gefallen lassen, auch wenn sie in den seltensten Fällen ihr Versagen ehrlich eingestehen.«
»Ich warne dich, Meritusir«, drohte Ramses. Seine Stimme hatte sich merklich abgekühlt. »Treibe es nicht zu weit.« Er warf ihr einen erbosten Blick zu. »Woher nimmst du die Überzeugung, mein Onkel sei an allem schuld und trachte mir nach dem Leben?«
»Wenn du auf Osiris anspielst, von ihm weiß ich es nicht«, erwiderte Meritusir. »Es ist auch nicht mein Wissen um die Vergangenheit, die deine Zukunft ist. Es ist einfach nur so ein Gefühl ...«
»Ein Gefühl?«
»Ja, Majestät.« Unentschlossen zuckte Meritusir mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll – vielleicht ist es weibliche Intuition.«
Ramses schmunzelte, obwohl ihm nicht im Geringsten zum Lachen zumute war. »Weibliche Intuition«, sinnierte er. »Das sollte ich mir merken, wenn Isis wieder mit sonderbaren Gedanken und Einfällen zu mir kommt.« Er strich sich über das Gesicht, als wolle er die aufkommende Müdigkeit vertreiben. »Ich habe meinem Onkel mein Vertrauen ausgesprochen und werde es nicht aufgrund deiner Intuition zurücknehmen. Trotzdem werden deine Worte nicht in Vergessenheit geraten, selbst wenn mir das Herz schwer wird bei der Vorstellung, du könntest recht haben.«
Er seufzte und sah betrübt zu Amunhotep, der sich die ganze Zeit herausgehalten hatte. Vertrat er dieselbe Meinung wie seine Frau? Ramses wusste es nicht und beließ es dabei.
»Doch nun lasst uns zu den anderen zurückgehen. Ich habe euch eingeladen, um zusammen mit mir einen erholsamen Tag auf dem Nil zu genießen.« Er lächelte und begab sich mit den beiden Osiris-Priestern zum Rest seiner Gäste.
* * *
Am folgenden Tag besuchten die beiden Osiris-Priester mit ihrem Sohn Amunhoteps Eltern.
Nesamun stand die Sorge um seine Gemahlin ins Gesicht geschrieben, als er Amunhotep mit ausgebreiteten Armen entgegenging. Die beiden Männer umarmten sich. Dabei fiel der Blick des älteren Priesters auf die hübsche Frau, die hinter seinem Sohn den Raum betreten hatte und einen kleinen Jungen an der Hand hielt.
»Meritusir!«, rief Nesamun überrascht aus und trat an Amunhotep vorbei auf sie zu. »Du bist ebenfalls hier?« Die Freude war ihm anzusehen. »Komm her, meine Tochter.« Er nahm Meritusir in die Arme. Anschließend beugte er sich dem Jungen zu, der ihn aus großen Augen fragend ansah, und strich ihm liebevoll über den Kopf. »Und das muss mein Enkel Usirhotep sein. Wie groß er schon ist und dazu so hübsch. Er kommt ganz nach seiner Mutter.«
»Nein«, widersprach Meritusir, »er ist ganz der Vater. Einzig die Augenfarbe hat er von mir.«
Nesamun lachte und strich dem Knaben liebevoll über seinen kahl rasierten Kopf. »Kommst du zu mir auf den Arm?« Er ging etwas schwerfällig in die Knie.
Usirhotep zögerte. Nach einem fragenden Blick zu seiner Mutter streckte er schließlich die Ärmchen aus, um sie Nesamun um den Hals zu legen, der den Knaben auf den Arm nahm.
Beglückt drückte Nesamun seinen Enkel an sich
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