Die Strafe des Seth
und humpelte zu einem bequemen Stuhl, um sich zu setzen.
Meritusir fiel auf, wie sehr er gealtert war und dass er große Schwierigkeiten hatte, ohne seinen Stock zu gehen. »Wie geht es deinem Bein, Vater?«, erkundigte sie sich.
»Es schmerzt in letzter Zeit sehr häufig, und das Laufen fällt mir schwer. Ich würde aber beide Beine hergeben, wenn dadurch meine Frau wieder genesen würde.«
»Wie geht es Mutter?«, hakte Amunhotep mit besorgter Miene nach.
»Ach, mein Sohn, sie scheint bereits im Reich des Osiris zu weilen. Es gibt Momente, da erkennt sie mich nicht einmal mehr.« Betrübt senkte Nesamun den Blick, um die aufkommenden Tränen zu verbergen.
Schnell trat Meritusir zu ihm und kniete zu seinen Füßen nieder, um ihm Trost zu spenden. Sie legte ihm die Hand auf den Arm und streichelte ihn sanft. »Es tut mir leid, dass zu hören, Vater. Doch wenn es ihr wirklich so schlecht geht, ist es vielleicht besser, wenn sie zu den Göttern geht.«
Sie wollte weitersprechen, Nesamun mit ihren Worten trösten, doch es schnürte ihr die Kehle zu. Auch wenn Amunhoteps Mutter sich ihr gegenüber sehr zurückhaltend, beinahe schon abweisend verhalten hatte, so war sie doch Amunhoteps Elternteil.
Nesamun nickte nur und schwieg, während Amunhotep betreten abseits stand und ebenfalls kein Wort herausbrachte. Einzig Usirhotep war aufgetaut und begann seine Späßchen zu machen, sodass die Erwachsenen bald ihren Schmerz verdrängt hatten und lauthals lachten.
»Usirhotep«, ermahnte Meritusir ihn nach kurzer Zeit, »nun reicht es aber.«
Nesamun hingegen winkte ab und gab dem Knaben einen Kuss auf seine gebräunte Wange. »Lass ihn nur. Er ist noch ein Kind und versteht nicht unseren Schmerz.« Er sah freundlich lächelnd zu Meritusir, die ihm wie eine Tochter ans Herz gewachsen war.
»Sollten wir nicht zu Mutter gehen«, meldete sich Amunhotep zu Wort, doch sein Vater schüttelte den Kopf.
»Sie schläft. Ich will sie nicht stören. Ihre Dienerin wacht bei ihr und sagt mir Bescheid, wenn sie erwacht.« Er hob den Knaben von seinem Schoß und setzte ihn auf den Boden, wo Usirhotep sich sofort in die Arme seiner Mutter flüchtete, um zu kuscheln. »Lasst uns in den Garten gehen. Mein Haushofmeister hat ein schmackhaftes Mahl und kühlen Wein bereitgestellt.« Mühevoll kam Nesamun von seinem Stuhl hoch. Er griff nach seinem Amtsstab und strebte der Tür zu, die hinaus in den schattigen Garten führte.
Betrübt sah Amunhotep seinem Vater hinterher. »Der Schmerz um Mutter hat ihn in kürzester Zeit um Jahre altern lassen«, raunte er Meritusir zu, als er ihr beim Aufstehen half.
»Das stimmt«, pflichtete sie ihm bei. »Ich habe ihn das letzte Mal vor über drei Jahren gesehen. Als er vorhin auf mich zutrat, war ich richtig erschrocken. Es tut mir so leid.« Sie seufzte und schmiegte sich an Amunhotep.
Usirhotep fing an zu quengeln, da seine Eltern keinerlei Anstalten machten, ihn auf den Arm zu nehmen und zu tragen. Er tobte zwar den ganzen Tag durch Haus und Garten, doch wenn sein Vater oder seine Mutter in der Nähe waren, schien er unfähig, auch nur einen einzigen Schritt allein zu tun. Immer wollte er auf den Arm genommen werden und schmusen.
»Was jammerst du?«, fragte Amunhotep mit einem verstimmten Seitenblick auf Usirhotep. »Du hast die ganze Zeit bei Großvater auf dem Schoß gesessen und deiner Mutter am Hals gehangen. Wir hätten uns lieber ein Kätzchen zulegen sollen als einen Sohn wie dich. Auch eine Katze braucht ihre Streicheleinheiten. Man muss sie jedoch nicht ständig auf dem Arm umhertragen.« Er reichte Usirhotep die Hand, die dieser beleidigt ergriff, um mit seinem Vater in den Garten zu gehen.
Nach dem Essen erschien eine dunkelhäutige Dienerin und meldete Nesamun, dass die Herrin erwacht sei. Sofort begaben sich die drei Priester und der Knabe in ihr Schlafgemach, wo Amunhoteps Mutter kraftlos und abgemagert auf ihrem kostbaren Bett aus Sykomorenholz lag, während ihr eine Dienerin mit einem Wedel etwas Kühlung zufächelte.
Nesamuns Gemahlin hatte die Augen geöffnet, doch ihr Geist weilte nicht mehr in dieser Welt. Er war bereits in das Reich der Toten eingetreten, Herz und Körper hatten es jedoch noch nicht bemerkt.
Nur mit Mühe konnte Amunhotep die Tränen unterdrücken, als er seine Mutter so dahinsiechen sah. Er hatte den inzwischen eingeschlafenen Knaben auf dem Arm und zeigte ihn ihr, doch sie registrierte es nicht.
Eine Woche sollte sie so dahindämmern, bis sie
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