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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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hinaus in das grelle Licht des Tages traten. »Ramses hatte schon vorher seinen Entschluss gefasst, bevor ich überhaupt zu sprechen angefangen habe.« Sie sah Amunhotep mit gerunzelter Stirn besorgt von der Seite an, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.
    »Auch ich bin mir sicher, dass Ramses’ Entschluss bereits feststand, obwohl ihm nicht sehr wohl dabei ist. Du scheinst ihn jedoch darin bestärkt zu haben, denn er weiß, dass du eine Gesandte der Götter bist.«
    »Das ist es ja, Amunhotep.« Meritusir war stehen geblieben. Unsicher ruhte ihr Blick auf ihrem Gemahl. »Ich habe Angst, dass ich ihm das Falsche geraten und damit die Beiden Länder ins Unglück gestürzt habe. Das würde ich mir nie verzeihen.«
    Schweigend legte Amunhotep den Arm um sie und zog sie sanft in Richtung ihres Zeltes, das unweit von dem des Pharaos errichtet worden war. »Ich werde mit Ramses reden«, versprach er, »und ihm von deinen Befürchtungen erzählen.«
    Am Abend traf sich Amunhotep mit dem König unter vier Augen. Erneut ging es um die unerfreuliche Botschaft aus dem Delta, doch auch der Hohepriester war nicht imstande, Ramses einen besseren Vorschlag zu machen als jenen, den Meritusir ihm bereits unterbreitet hatte. Doch versäumte er es nicht, ihm von ihrer Besorgnis zu erzählen.
    »Ich bin dir dankbar, mein Freund, dass du es mir sagst, doch was soll ich tun? Soll ich die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie das Delta vom Westen her überfallen wird?«
    »Nein, Ramses, du solltest aber wissen, dass sich Meritusir nicht darüber im Klaren ist, ob sie dir das Rechte geraten hat.« Amunhotep seufzte verzagt. »Wie sie schon sagte, sie ist Baumeisterin, keine Kriegerin.«
    »Doch der Große Gott Osiris selbst hat sie beauftragt, mir im Kampf zur Seite zu stehen«, hielt Ramses dagegen. »Also wird das, was sie gesagt hat, auch das Richtige sein.«
    »Obwohl du dir selbst nicht ganz sicher bist?«, wagte Amunhotep zu erwidern.
    Ramses zögerte. »Du bist mein Freund«, gab er schließlich zu. »Ja, ich habe meine Zweifel, doch ich habe schon einmal gezweifelt, als ich die Frau, die jetzt deine Gemahlin ist, zum ersten Mal sah. Sie war verlaust und schmutzig. Ihr Rücken wies mehr Striemen auf als der Rücken eines Sträflings in meinen Steinbrüchen. Damals wagte ich zu zweifeln, dass sie ein Geschenk der Götter sei, doch sie hat sich als solches erwiesen.«
    Amunhotep schmunzelte. »Auch ich hatte meine Zweifel, aber als ich Osiris in seinem Heiligtum begegnet bin, verzieh er sie mir. Er meinte, es wäre natürlich, weil ich ein Mensch bin und als solcher von Zweifel, Ängsten und Nöten geplagt sei.«
    »Und das gilt manchmal auch für den Pharao, den lebenden Gott auf Erden«, setzte Ramses hinzu und lächelte seinem Freund aus Kindertagen gequält zu.
     
    * * *
     
    In der folgenden Nacht wälzte sich Meritusir von einer Seite auf die andere. Böse, dunkle Träume suchten sie heim und ließen sie unruhig schlafen.
    Ihr erschien ein breiter Flusslauf im Traum, auf dem sich viele Schiffe befanden. Die einen brannten lichterloh, auf anderen wurde erbittert gekämpft. Einigen Booten waren die Bäuche aufgerissen, sie liefen Leck, während sich Unmengen von riesigen Krokodilen im Wasser tummelten, um die Soldaten zu fressen, die von Bord gesprungen waren. Ihre Kameraden auf den Barken sahen derweil mit schreckensweiten Augen dem grauenvollem Schauspiel zu und wussten, dass sie das gleiche Schicksal ereilte, wenn ihr Schiff gesunken war.
    Meritusir selbst stand wie versteinert am Ufer und sah alles hilflos mit an. Sie hörte die gellenden Schreie der Männer, die von den Bestien im Wasser in Stücke gerissen wurde, sie hörte das Klirren von Metall, das Zischen von Pfeilen und das Bersten von Holz. Und all diese Geräusche wurden übertönt vom Knistern der Flammen, die sich in die Schiffsrümpfe fraßen.
    Sie wollte schreien und den Soldaten am Ufer zurufen, dass sie ihren Kameraden zu Hilfe eilen sollten, doch ihr Hals war wie zugeschnürt. Kein einziger Ton kam heraus.
    Die Krieger hingegen verharrten regungslos an Land.
    Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen starrte Meritusir auf das Gemetzel, in dem die Soldaten des Pharaos denen von den Inseln des Großen Grün weit unterlegen waren.
    Aus all dem schwarzen Rauch löste sich mit einem Mal ein Gesicht, dunkel und unheimlich. Es kam auf sie zu, näher und näher. Als es direkt vor ihr war, nahm Meritusir eine längliche Schnauze, stechend rote Augen und

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