Die Strafe des Seth
gestutzte Ohren wahr.
Seth!, durchfuhr es sie, und ihr blieb das Herz vor Schreck fast stehen.
Das rote Augenpaar funkelte sie wütend an. Deutlich konnte sie die spitzen gefährlichen Zähne des Gottes sehen, als dieser sein Maul öffnete und zu sprechen begann.
»Mein Bruder, der Große Gott Osiris, hat dir befohlen, dem Pharao mit deinem Wissen und Können zur Seite zu stehen. Und was tust du?« Seine Stimme klang donnernd und drohend zugleich. Meritusir erstarrte vor Angst. »Doch ich habe Erbarmen mit dir, Menschenfrau, und will dir stattdessen zeigen, wie du dem Sohn des Re gegen seine Feinde beistehen kannst.«
Mit einer ausladenden Geste wies er auf den Fluss, der sich schwarz verfärbt hatte und lichterloh brannte. Die Flammen vernichteten alles, was sich auf und in seinem Wasser befand.
Erneut hörte Meritusir die grauenvollen Schreie von Menschen, die durch das ohrenbetäubende Prasseln des Feuers gellten.
Schweißgebadet schreckte Meritusir hoch und kauerte sich auf die Kante des einfachen Feldbetts. Ihr Atem ging noch immer gehetzt, ihr Herz raste, und ihre Hände zitterten. Verängstigt schlang sie die Arme um ihren nackten Oberkörper und wiegte sich vor und zurück.
Was hatte dieser Traum nur zu bedeuten? Was hatte ihr Seth zeigen wollen?
Einen brennenden Fluss, der Ramses’ Feinde vernichtete? – Aber wie sollte sie Wasser zum Brennen bringen?
Sie begann zu frieren und zog sich das dünne Leinenzudeck über den Rücken. Dabei fiel ihr Blick auf Amunhotep, der tief und fest in seinem Bett schlief. Er lag auf dem Rücken, schnarchte leise und hatte von ihrem unruhigen Schlaf nichts bemerkt. Als sie aufstand und sich über ihn beugte, um ihm einen Kuss zu geben, wusste sie auch, warum. Er schien mit Ramses kräftig gezecht zu haben, denn sein Atem roch stark nach Wein.
Noch immer vor Kälte fröstelnd, setzte sich Meritusir wieder auf ihr Lager und stützte ratlos den Kopf in die Hände.
»O Großer Gott Seth, was hast du gemeint?«
Sie strich sich über ihren kahlen Schädel und sah wieder zu ihrem Gemahl. Das fahle Licht des Mondes fiel durch den Spalt des Vorhangs, der den Eingang verdeckte, und ließ seine am Abend eingesalbte Kopfhaut matt glänzen.
Da durchzuckte sie eine Idee.
Sie wandte den Blick zur Decke des Zeltes und dankte Seth, dass er ihr auf die Sprünge geholfen hatte.
Aufgeregt sprang sie auf, zog sich ihr Hemd über und band sich den Schurz um die Mitte. Als sie in ihre Sandalen schlüpfen wollte, fiel ihr Blick erneut auf Amunhotep, der friedlich schlief.
Ist es ratsam, den Pharao aus seinen weinumnebelten Träumen zu holen?
Sicher nicht
, merkte ihre innere Stimme an.
Du musst es aber tun.
Zögernd setzte sie sich wieder auf die Kante ihres Bettes und starrte nachdenklich auf den festgestampften Boden.
»Ja, ich muss ihn wecken, um es ihm zu sagen«, murmelte sie leise vor sich hin und erhob sich erneut. »Immerhin geht es um das Wohl der Beiden Länder.«
Sie trat aus dem Zelt und eilte schnurstracks zu Ramses’ Unterkunft, die von seinen Getreuen bewacht wurde.
Schläfrig standen die beiden Krieger auf ihre Speere gestützt, wurden aber sofort hellwach und musterten sie aufmerksam, als sie sich ihnen näherte.
»Ich muss umgehend mit Seiner Majestät reden!«, sagte Meritusir in befehlendem Ton und blickte den Männern fest in die Augen.
»Wir dürfen ihn nicht stören, Herrin«, kam die demütige Antwort des größeren der beiden.
»Dann geh und wecke Juri!«, befahl Meritusir.
Der Mann gehorchte.
Kurze Zeit später erschien der Oberste Kammerherr und verneigte sich vor ihr.
Meritusir teilte ihm ihr Begehr mit, woraufhin Juri im Eingang des Zeltes verschwand.
Es dauerte eine Weile, bis Meritusir leise Stimmen aus dem Inneren vernahm. Unruhig trat sie von einem Fuß auf den anderen.
Als sie schließlich in das schwach erleuchtete Zelt gebeten wurde, saß Ramses nackt auf seinem kostbaren Bett und blinzelte sie aus verschlafenen Augen missmutig an. Die Luft war heiß und stickig und roch nach menschlichen Ausdünstungen und Wein.
»Ich hoffe für dich, dass es wirklich wichtig ist, was du mir mitzuteilen hast«, knurrte er und gähnte ungeniert. »Anderenfalls werde ich dich auf der Stelle züchtigen lassen.«
»Ja, Majestät, es ist wichtig«, erwiderte Meritusir ruhig und fiel vor ihm auf die Knie, um mit der Stirn den Boden zu berühren. »Mir ist heute Nacht Seth in meinem Traum erschienen und hat mir die Lösung aufgezeigt, wie du die Feinde
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