Die Strafe des Seth
»Verzeih, Gebieter. Ein Mann wünscht dich zu sprechen.«
»Ein Mann?«
»Ja, mein Herr. Er sagt, es sei wichtig.«
Mürrisch gab Senbi seinem Verwalter mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er den Unbekannten hereinführen solle.
Wenig später stand ein mittelgroßer, wohlgenährter Mann in mittleren Jahren vor ihm, bei dessen Anblick dem syrischen Kaufmann der Schreck in die Knochen fuhr.
Ein Kemiter!, durchzuckte es ihn. Unweigerlich duckte er sich.
Hatten ihn Pharaos Schergen aufgespürt, um ihn aus Syrien nach Kemi zu verschleppen und das Todesurteil zu vollstrecken, das man über ihn und seine beiden Gehilfen gesprochen hatte?
Der Mann verneigte sich knapp. »Mein Name ist Hapu. Ich komme aus Kemi und bin im Auftrag meines Gebieters unterwegs. Ich bin auf der Suche nach einem erfahrenen Verwalter für die Kornspeicher meines Herrn, die dieser sich in und um Byblos zuzulegen gedenkt. Zudem sollte sich derjenige mit den Beiden Ländern verbunden fühlen und unsere Sprache beherrschen.«
»Und warum kommst du zu mir?«, fragte Senbi. Er war auf der Hut.
»Weil du der richtige Mann sein könntest. Ich habe mich im Händlerviertel umgehört. Du wurdest mir empfohlen. Zudem scheint es zu stimmen, dass du die Lebensweise der Menschen des Schwarzen Landes magst.« Demonstrativ ließ Hapu den Blick durch den Raum schweifen, der neben syrischen Kostbarkeiten auch mit Dingen aus dem Land am Nil vollgestopft war.
»Ich bin aber kein Verwalter, sondern Händler«, gab Senbi mürrisch zurück und rümpfte die Nase. »Du bist bei mir falsch.«
»Das denke ich nicht. Zudem verspricht dir mein Gebieter einen hohen Lohn für deine Arbeit.«
»Wer ist dein Gebieter?«, fragte Senbi und ließ Hapu nicht aus den Augen. Er war neugierig geworden, sein Interesse war geweckt.
»Ein einflussreicher Mann«, gab Hapu einsilbig zurück, und Senbi kräuselte die Stirn.
»Hat er auch einen Namen?«
»Sicher. – Er möchte seine Erträge in Syrien einlagern«, ging Hapu nicht weiter auf Senbis Frage ein. »Fürs Erste benötigt er zwei oder drei Kornspeicher. Mit der Zeit werden noch weitere hinzukommen. Du sollst über sie wachen und Sorge dafür tragen, dass das Korn nicht verdirbt oder gestohlen wird.« Hapu nestelte in den Falten seines Schurzes und zog aus einer unscheinbaren Tasche eine kleine Schriftrolle heraus, die er Senbi reichte. »Hier steht verzeichnet, was du für deine Dienste erhalten wirst, wenn du sie zur Zufriedenheit meines Gebieters erledigst.« Er reichte dem Syrer das Schriftstück.
Zaghaft griff Senbi nach der Rolle und legte sie behutsam vor sich auf den Tisch.
»Lass dir ruhig Zeit«, meinte der Kemiter schmunzelnd. »Ich werde morgen erneut zu dir kommen, um mir deine Antwort abzuholen.« Er verneigte sich knapp und wollte gehen, doch Senbi hielt ihn zurück.
»Und was ist, wenn mich das Angebot deines Herrn nicht überzeugt?«
»Das wird es, da bin ich mir sicher.« Mit diesen Worten verschwand Hapu aus dem Raum.
Nachdem er gegangen war, starrte Senbi auf den kleinen, zusammengerollten Papyrus und öffnete ihn schließlich. Die Schätze, die darauf verzeichnet standen, ließen ihm beinahe die Augen aus den Höhlen quellen.
Wer war dieser Mann, der ein solch riesiges Vermögen investieren wollte, damit er, Senbi, für ihn als Verwalter arbeitete? – Senbi wusste keine Antwort darauf. Ihm war unbehaglich zumute.
Obwohl die Gier drohte, die Oberhand zu gewinnen, zwang Senbi sich zu einem kühlen Kopf. Er musste vorsichtig sein. Dieser Hapu hatte bei ihm zwar einen harmlosen Eindruck hinterlassen; dennoch sagte ihm sein Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmen konnte.
Er hatte sein ganzes Leben in Kemi verbracht. Die Leute des Schwarzen Landes waren ein Völkchen für sich. Sie lebten in einem fruchtbaren Tal, das durch den Nil gespeist wurde und mit Reichtum und Nahrung im Überfluss gesegnet war. Nie wäre ein Kemiter auf die Idee gekommen, seine Ernten in der Fremde einzulagern. Irgendwas stimmte da nicht. Senbi beschloss, dem auf den Grund zu gehen.
Am folgenden Tag um die Mittagszeit wurde ihm Hapu erneut gemeldet.
»Wie lautet deine Antwort?«, kam der Kemiter ohne Umschweife sogleich zur Sache.
»Nicht anders als gestern: Ich bin Händler, kein einfacher Verwalter.«
Hapu schmunzelte. »Zudem ein wegen Mordversuch und Vergewaltigung Verurteilter.«
Senbi wurde blass. »Was fällt dir ein, mir Derartiges zu unterstellen?«, empörte er sich.
»Rege dich nicht auf«,
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