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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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in dem anderen ruhen. Ich werde noch einmal genau überprüfen, ob auch wirklich alle deine Erfolge und Verdienste an den Wänden unseres Westlichen Hauses verzeichnet sind. Die Nachwelt und die Götter müssen davon erfahren.«
    Meritusir sah Amunhotep mit Tränen in den Augen überwältigt ins Gesicht. »Danke, mein geliebter Gemahl.« Mehr brachte sie in diesem Moment nicht heraus. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf den Mund. »Du bist ein guter und liebevoller Mann.«
    Sie hielten auf die beiden Tempelanlagen zu und machten in den Strahlen der untergehenden Sonnenbarke fest. Amunhotep begab sich sofort zum obersten Priester und sprach mit ihm, worauf dieser zustimmte, Meritusir die beiden Tempel von Abu-Simbel zu zeigen.
    Gemeinsam streiften sie durch die Hallen der beiden Komplexe. Meritusir konnte sich an den wundervollen Malereien und Reliefs nicht sattsehen, die von Ramses’ Taten zeugten. Sie hatte das alles schon einmal gesehen. Das war vor dreitausendeinhundert Jahren – in der Zukunft.
    Als sie sich zum Allerheiligsten begaben, wo der verstorbene Herrscher zwischen den Göttern Ptah, Re-Harachte und Amun-Re saß, fiel ihr wieder ein, dass sie kurz vor dem Sanktuar gestolpert und in der Vergangenheit gelandet war. Nun sollte sie wieder in ihre Zeit zurückkehren.
    Sie schloss die Augen und unterdrückte den aufkommenden Abschiedsschmerz.
    In dieser letzten Nacht machten beide Priester kein Auge zu. Sie gaben sich der Liebe hin, tranken Wein und redeten. Bevor Re von Nut wiedergeboren wurde, stiegen sie das Felsplateau hinauf, das sich oberhalb der Tempel befand, und begrüßten mit erhobenen Armen den Sonnengott, als dieser in seiner Barke über den Horizont gefahren kam. Das Licht seiner göttlichen Strahlen breitete sich wärmend aus und überzog die felsige Landschaft mit einem weichen, goldenen Schein.
    »Es ist soweit.« Meritusir stand mit Tränen in den Augen neben Amunhotep und konnte den Blick nicht von der blendenden Sonnenscheibe wenden. »Ich muss nun gehen, Amunhotep. Hole die Taube hervor und töte sie.«
    Amunhotep bückte sich und griff nach dem Sack, der neben ihm auf dem Boden lag. Er holte das kleine Tier heraus, das ängstlich gurrte. Dann griff er nach dem Messer in seinem Gürtel und schnitt ihm die Kehle durch. Dabei spritzte etwas Blut auf seinen Schurz, doch er ignorierte es. Er verteilte das Blut des Vogels auf Meritusirs Kleid, das diese in der Zwischenzeit abgelegt hatte. Anschließend warf er die Taube fort und zerriss das Kleid, sodass es aussah, als sei sie von einem wilden Tier angefallen worden.
    »Und nun geh«, bat Meritusir flehend. Sie drehte sich Amunhotep zu und schlang die Arme um seinen Hals. »Kehre nach Abydos zurück und kümmere dich um unseren Sohn. Wenn er alt genug ist, um alles zu verstehen, erzähle ihm, wer seine Mutter war. Ich liebe euch.«
    Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und gab ihm einen letzten Kuss. Dann drehte sie sich um und eilte der Stelle entgegen, wo sie vor neun Jahren aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht war. Sie trug nur Sandalen aus Papyrus, um sich nicht die Fußsohlen auf dem immer heißer werdenden Boden zu verbrennen, und hatte die goldene Osirisfigur mit der Atef-Krone aus Lapislazuli um den Hals. Ansonsten war sie nackt.
    Amunhotep sah ihr noch einen Moment hinterher. Dann drehte er sich um, um an das Ufer des Nil zurückzukehren, wo die Boote abreisefertig auf ihn warteten.
    Völlig benommen stolperte er den steilen Weg hinab und stieß sich des Öfteren an hervorstehenden Felsvorsprüngen, doch er nahm es nicht wahr. Den körperlichen Schmerz spürte er nicht mehr. Nur der Schmerz um den Verlust seiner geliebten Meritusir beherrschte seinen Leib und schien sein Herz zu zerreißen. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er niemals darüber hinwegkommen würde. Bis in alle Ewigkeit würde die Wunde in seinem Herzen bluten und ihn unempfänglich für jeglichen anderen Kummer machen. Dieses hier war die größte Pein, der größte Verlust, den er sich vorstellen konnte. Meritusir war von ihm gegangen. Nichts würde sie ihm zurückbringen!
    Als ihn die Männer in den Barken kommen sahen, allein, mit dem zerrissenen, blutbesudelten Kleid in der Hand, stießen sie entsetzte Rufe aus und sahen ihm fragend entgegen.
    »Wir fahren nach Abydos zurück!«, befahl Amunhotep knapp und wollte sich in seine Kajüte zurückziehen, als Maiherperi auf ihn zutrat und sich breitbeinig vor ihm aufbaute.
    »Wo ist meine

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