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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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lag nicht nur daran, dass es Viertel nach zehn an einem Freitagabend war. Die Lagerhallen entlang der Straße waren dunkel, kalt und leer. Im Westen konnte man Bahngleise erahnen und dahinter die Santa Clara University. Die gesamte Aktivität spielte sich jenseits eines Industriegebiets im Osten ab.
    »Jetzt rechts«, sagte Calder.
    Jo bog von der Coleman Avenue in eine Seitenstraße, die durch die Gewerbezone zum Flugfeld führte. Die Gebäude
mit ihrer für Silicon Valley typischen Architektur aus weißem Beton und blauem Glas hatten übers Wochenende geschlossen. Die Straße verlief ungefähr achtzig Meter weit nach Osten und dann nach einer Linkskurve in nordsüdlicher Richtung zwischen der Coleman Avenue und den Start- und Landebahnen. Sie war absolut verlassen. Jo passierte weitere stachlige Mikrowellen- und Radartürme und den Eingang zur Flugsicherungszentrale.
    »Langsamer.«
    Der Tahoe kroch dahin. An einer Ecke hob Calder die Hand. »Stopp. Anhalten.«
    Jo fuhr zum Randstein. Auf dem Rasen eines Bürokomplexes ragten Eukalyptusbäume und Kiefern in die kalte Nacht. Durch die Querstraße links hatte man einen klaren Blick zurück auf die Coleman Avenue. Sie sah Straßenlampen und gelegentlich ein vorüberziehendes Auto.
    Rechts verengte sich die Querstraße zu einer Zufahrt. Siebzig Meter danach endete sie vor einem Durchgang mit Schlagbaum. Dahinter lagen die Privatterminals.
    An dem Durchgang gab es keinen Wachmann, nur einen Kartenautomaten. Die Schranke bestand aus einer zweieinhalb mal zehn Zentimeter dicken, rot-weiß bemalten Stange. Wieder einmal musste Jo daran denken, dass Flughafensicherung ein Spiel war, das dazu diente, die fliegende Öffentlichkeit zu besänftigen, Arbeitsplätze zu sichern und einem gewaltigen Autoritätskomplex Nahrung zu geben.
    Am Himmel blitzten die Landescheinwerfer einer Linienmaschine, und Turbinen jaulten. Ein Flugzeug passierte die Schwelle, fuhr die Landeklappen aus und setzte auf.

    Auf dem Flugfeld warteten wild verstreut - wie eine Schar Möwen, die nach dem Kreisen gelandet waren - weiße Firmenjets. Die meisten waren verschlossen mit dunklen Fenstern. Nur einer hatte sich noch nicht für die Nacht zugedeckt. Eine große Maschine mit T-Heck und zwei Triebwerken. Die Tür war offen, und die Treppe stand bereit. Drinnen brannte Licht. Jetzt schritt ein Mann durch den Gang, passierte die Tür und betrat das Cockpit.
    Möglicherweise machte dieselbe Crew, die Alec Shepard aus Montreal herbefördert hatte, den Jet von Chira-Sayf für den Nachtflug startklar.
    Riva hatte vor, sich die Slick-Probe von Ian Kanan zu holen und dann wegzufliegen. Und das konnte sie nur, wenn sie Kanan bewies, dass seine Frau und sein Sohn noch lebten. Ein tröstlicher Gedanke, an den sich Jo mit aller Kraft klammerte.
    Doch warum sollte der Austausch hier stattfinden und nicht zum Beispiel in der Valley Fair Mall, die zehn Fahrminuten entfernt am Highway lag? Wollte Riva Jo und die Kanans ins Flugzeug setzen und sie an einen Ort bringen, wo man sie nie wiedersehen würde - wie zum Beispiel den Pazifik?
    Aber das konnte nicht funktionieren. Der Pilot würde nie mitmachen. Die Idee war einfach nur verrückt.
    Allerdings ließ sich mit dem Ausdruck verrückt auch Riva Calders sonstiges Verhalten treffend beschreiben.
    »Licht aus«, zischte Calder.
    Jo schaute sie an. »Wie denn?«
    Mit säuerlicher Miene streckte Calder die Hand aus, um die Scheinwerfer des Tahoe abzuschalten.

    Jos Hände wurden allmählich taub von den Plastikfesseln. Sie beobachtete, wie sich die Piloten in dem Firmenjet bewegten.
    Plötzlich ging ein Ruck durch Calder, schlagartig wirkte sie wie neu belebt. Sie blickte an Jo vorbei durchs Fahrerfenster in Richtung Coleman Avenue.
    Dort hielt gerade mit blitzenden Lichtern ein Pick-up.
    »Da ist er«, flüsterte Calder.
    Sie öffnete die Tür und stieg aus. Dann beugte sie sich wieder herein und spähte nach hinten. »Ich ruf euch an und gebe Anweisungen durch.«
    Murdock lehnte sich vor. »Gib mir die Zutrittskarte.«
    »Die bring ich nachher mit.« Sie warf die Tür zu und lief über die Straße. Ohne den Schatten zu verlassen, steuerte sie auf den Pick-up zu.
    »Und was mache ich jetzt?«, fragte Jo.
    Murdock atmete langsam aus. »Du wartest.«
     
    Kanan ließ den Pick-up im Leerlauf stehen und schaute sich um. Der Verkehr auf der Coleman Avenue war spärlich. Dreihundertfünfundachtzig Meter östlich rollte eine 757 der American Airlines in die Startposition.

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