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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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in dem gespenstischen Reich zwischen dem Anblick der Wahrheit und dem Begreifen. Jo unterdrückte die aufsteigenden Tränen.
    Die Tür des Krankenwagens öffnete sich, und Seth stolperte heraus. »Mom.«
    Misty löste sich aus Jos Griff, kam wankend auf die Beine und lief zu ihm. Er fiel ihr in die Arme und fing an zu weinen.
    Jo rappelte sich hoch. Hitze brandete heran. In den Linienmaschinen und im Terminal starrten die Menschen voller Grauen auf das Feuer. Die im Fensterglas gespiegelten Flammen zuckten über ihre Gesichter. Sie schloss die Augen und hörte Sirenen und Schluchzen. In ihrer zusammengekrampften Hand spürte sie den Ring.
    Mit dröhnendem Schädel trat sie neben Misty. Ians Frau kauerte zusammengesunken auf dem Boden, beide Arme um Seth geschlungen, der sich in ihr Hemd gekrallt hatte
und hemmungslos weinte. Misty hob den Kopf. Den Ausdruck in ihren Augen würde Jo bis an ihr Lebensende nicht vergessen.
    »Gehen Sie«, flüsterte Misty.
    »Er wollte …« Jo stockte. »Hat mich gebeten, Ihnen …«
    Sie öffnete die Hand. Flammenlicht züngelte über das Gold von Mistys Ehering.
    Misty griff danach und wandte sich ab.
    Jo wich zurück. Die Brandhitze war harmlos im Vergleich.
    Plötzlich bemerkte sie zwischen den kreisenden Lichtern einen Mann, der unter einer Verkehrsmaschine durchrannte, mit einem gewaltigen Sprung über die Motorhaube eines Traktors setzte und über die Startbahn direkt auf den lichterloh brennenden Tahoe zusprintete.
    Eigentlich hätte sie nicht gedacht, dass ihre Kehle noch einen Laut hervorbringen konnte, doch sie riss die Arme hoch und brüllte: »Gabe!«
    Sein Kopf fuhr herum. Da lief sie bereits. Und hielt erst an, als sie in seinen Armen lag.

KAPITEL 40
    Der Himmel schwebte blau über dem Park in der Morgensonne. Die Monterey-Kiefern bebten im Wind, Salbei und rotes Heidekraut neigten sich zur Bucht. Gabe streckte die Beine aus und legte die Arme zu beiden Seiten auf die Lehne der Parkbank. Auf dem Basketballfeld tänzelte Sophie nach vorn und warf einen Korbleger. Der Ball prallte gegen den Rand und fiel hinein.
    »Zwei Punkte für Quintana«, rief Gabe.
    Sophie schenkte ihm ein scheues, erfreutes Lächeln und holte den Ball. Silbrig blonde Strähnen hüpften ihr ums Gesicht.
    Jo tigerte an der Seitenlinie auf und ab, das Telefon am Ohr.
    Amy Tang klang mürrisch. »Du hast mich in diesen Fall reingezogen, Beckett. Wahrscheinlich hab ich mir vom Sitzen auf dem Zementboden in diesem Keller bleibende Hämorrhoiden geholt.«
    Jo rieb sich die Augen und hätte fast losgelacht. »Okay, ich schulde dir ein Bier, weil ich dich reingezogen habe. Und ich schulde dir ein neues Auto, weil du mich bei
der Polizei und der Flugsicherheitsbehörde rausgepaukt hast.«
    Ihr Blick wanderte durch den Park, vorbei an ihrem Haus und den Dächern der Stadt, bis zur Golden Gate Bridge. Dahinter lagen die windgepeitschten grünen Hügel der Marin-Landspitze. Und dann war da nur noch der weite, endlose Himmel.
    »Eine Frage, Amy. Wie bist du entkommen?«
    »Ich war doch mit den Händen nach hinten an einen Stützpfosten gefesselt. Der ist einen guten halben Meter von der Wand entfernt und hat oben einen Winkel drangeschraubt. Ich hab die Beine unter mich geschoben und bin aufgestanden. Dann hab ich mich mit dem Rücken gegen den Pfosten gestemmt, die Füße flach an die Wand gedrückt und mich langsam hochgearbeitet. Als ich oben war, hab ich das Klebeband an dem Winkel durchgesägt. Hat eine Stunde gedauert, aber ich hab’s geschafft.«
    »Und dann?«
    Amy zögerte kurz. »Dann haben Officer Liu und das Einsatzkommando die Tür aufgebrochen.«
    »Und dich gefunden …«
    »Zwei Meter über dem Boden, die Füße breitbeinig gegen die Wand gestemmt, den Rücken am Pfosten und mit einem Gummiball im Mund.«
    Jo grinste. »Sozusagen ein Pole-Tanz in die Freiheit?«
    »Wenn du die Geschichte je wieder erwähnst …«
    »Haben die Jungs vom Einsatzkommando wenigstens Fotos gemacht?«
    »Beckett …«
    Jo lachte.

    Tang wechselte das Thema. »Gibt’s was Neues von Alec Shepard?«
    »Er liegt noch auf der Intensivstation. Als ihn der Polizist rausgezogen hat, war er unterkühlt und hatte bereits Wasser geschluckt. Hat nicht viel gefehlt, und er wäre ertrunken. Aber die Ärzte sind optimistisch.«
    »Willst du dabei sein, wenn wir Riva Calder vernehmen?«
    Jo musste nicht lange überlegen. »Nein, danke. Von der hab ich gründlich die Nase voll.«
    »Sie wird zur Fallstudie werden.«
    »Ich weiß.

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