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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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/219.«
    »Militärisch?«
    »Chira-Sayf stellt keine Waffen her. Es wurde zwar vom Verteidigungsministerium finanziert, aber es war ausdrücklich dazu gedacht, Sprengsätze zu neutralisieren.«
    »Ein Mittel gegen Bomben?«
    »Es sollte Leben retten.«
    »Ist Slick die Substanz, die Ihren Bruder kontaminiert hat?«
    Sein Schweigen war schwer und trocken, ein Mantel aus Staub. »Eigentlich ist das undenkbar. Wir haben es zerstört.«
    »Warum?«
    »Wie gesagt, es sollte Straßenbomben entschärfen. Aber es hat nicht funktioniert.« Seine Miene verdüsterte sich noch mehr. »Sie sind Ärztin - haben Sie schon mal Explosionsverletzungen gesehen? In Afghanistan, im Irak, in der Londoner U-Bahn …«
    »Ja, furchtbar.«
    »Mit Panzerwesten werden zwar die lebenswichtigen Organe der Soldaten geschützt, aber es reißt ihnen die Arme weg. Oder die Rippe eines Selbstmordattentäters bohrt sich in den Oberschenkelknochen eines Soldaten. Granatsplitter, Nägel, Kugellager spritzen einem kleinen Mädchen ins Gesicht.«
    Jäh musste Jo an Gabes Narben denken. Alles wieder heil. Ihr Herz stolperte.
    »Kohlenstoffnanoröhren sind winzige Maschinen«, fuhr Shepard fort. »Simple, dumme Roboter. Sie wirken durch chemische Reaktionen auf molekularer Ebene. Unsere sollten
sich mit Mischungen in herkömmlichen Sprengsätzen verbinden und sie neutralisieren.«
    »Aber?«
    »Der Effekt war genau anders herum. Die Sprengstoffe wurden noch unbeständiger.«
    »O Gott«, entfuhr es Jo.
    Shepards graue Augen waren so durchdringend wie die seines Bruders. »Bei den Tests sind die Bomben vorzeitig detoniert. Dann haben wir den Zünder entfernt, um sie zu entsorgen, aber sie sind trotzdem losgegangen. Ein verheerendes Resultat.«
    »Und dann haben Sie das Projekt eingestellt«, warf Jo ein.
    »Slick war unberechenbar, instabil, gefährlich. Ich musste die Notbremse ziehen.«
    »Wollte das Verteidigungsministerium die Substanz trotzdem haben? Dort ist man doch immer scharf auf neue Knallkörper.«
    »Ich habe das Projekt genehmigt, um Menschenleben zu retten. Aber ich will nicht, dass der Firmenjet mit der Herstellung von Munition finanziert wird.«
    »Und deswegen haben Sie die Filiale in Südafrika geschlossen.«
    »Ja, im Johannesburger Labor wurde Slick produziert. Anscheinend ist Ian nach Afrika geflogen, um eine Probe davon zu beschaffen. Aber das muss ihm misslungen sein. Oder …« Zischend stieß er den Atem aus. »Oder er hat einen Fehler gemacht und wurde kontaminiert. Und jetzt will er es von mir.«
    »Ian glaubt also, dass Sie Slick haben? Sie persönlich - oder dass Sie Zugang dazu haben?«

    »Ja.«
    »Aber Sie sagen doch, dass alles vernichtet wurde.«
    »Das dachte ich zumindest. Aber wenn Ian … geschädigt ist, muss er damit in Berührung gekommen sein.«
    »Das ist also der Grund für seinen Gedächtnisverlust.«
    »Wenn Slick in den Blutkreislauf gelangt, hat das katastrophale Folgen. Es verbindet sich mit Eisen. Und es ist lipophil«, erklärte Shepard. »Es hängt sich an Fette im Blut, nistet sich praktisch in sie ein und kann so die Blut-Hirn-Schranke überwinden.«
    »Slick ist ein trojanisches Pferd«, resümierte Jo.
    »Ja.«
    Es schlüpfte in eisentragende Moleküle und in Lipide und gelangte so unerkannt ins Gehirn. Dort sammelte es sich, formierte sich zu Strängen und zerstörte die medialen Schläfenlappen.
    »Und der Betroffene kann keine neuen Erinnerungen mehr bilden.« Jo schwirrte der Kopf.
    »Wenn es die Schleuse hinter sich hat, fängt es an, das Gehirn neu zu vernetzen.«
    »Vernetzen? Inwiefern?«
    »Kohlenstoffnanoröhren haben für ihre Größe einen relativ geringen elektrischen Widerstand. Dadurch können sie Bahnen für die Neuronenbildung erzeugen.«
    »Sie meinen, sie können neue Verbindungen im Gehirn schaffen?«
    »Ja, und zwar sehr schnelle.« Er fuhr sich mit der Hand über den Bart. »Weiß er, dass er kontaminiert ist?«
    »Ja.«
    »Wird er es wieder vergessen?«

    »Das weiß ich nicht. Warum?«
    »Weil er nicht mehr mit Slick in Berührung kommen darf. Eine zweite Dosis würde sein Nervensystem nicht aushalten. Er würde … sterben.«
    Erschöpft lehnte sich Jo an die Kopfstütze. Ihre Rippen und ihr Bein pochten. Langsam schob sich der Wagen durch den Dunst.
    Shepard nahm den Faden wieder auf. »Ian muss sich eine Probe aus dem Labor in Johannesburg beschafft haben. Eine andere Möglichkeit für eine Kontaminierung sehe ich nicht. Aber jetzt ist er auf der Suche nach mir, weil er mehr

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