Die Strafe - The Memory Collector
davon braucht. Anscheinend glaubt er, dass er es nur von mir kriegen kann.«
»Und, ist das so?«
Er ging nicht auf ihre Frage ein. »Aber warum ist er hinter mir her, wenn er doch schon eine Probe hat?«
»Alec, Ian leidet an Gedächtnisverlust. Möglicherweise hat er die Probe aus Afrika irgendwo versteckt und kann sich jetzt nicht mehr daran erinnern.«
»Und jetzt bin ich seine letzte Hoffnung.«
»Genau. Und die Leute, die ihn erpressen, sind vielleicht ebenfalls der Meinung, dass Sie es beschaffen können.« Sie überlegte kurz. »Aber wenn er schon eine Probe hatte …«
Er legte einen höheren Gang ein. »Wo ist sie jetzt? Und wie viel Zeit bleibt uns, sie zu finden, bevor sie in Kontakt mit einer Substanz gerät, die eine Explosion auslösen könnte?«
Im Zimmer war es dunkel und stickig. Über die Fenster waren Bretter genagelt, und die Tür war verschlossen. Irgendwo im Haus konnte Seth einen Fernseher hören. Er wusste
nicht genau, wie spät es war, doch an der TV-Melodie erkannte er, dass es früher Abend sein musste.
Er sehnte sich nach Nachrichten, denn vielleicht brachten sie eine Meldung über die Entführung oder eine Aufforderung an alle Leute, nach ihm und seiner Mom zu suchen. Ihre Fotos, ihre Beschreibung, ein Aufruf der Polizei, die Augen offenzuhalten. Wenn er nur wüsste, wo er sich befand! Als ihn die Männer im Golden Gate Park entführten, hatten sie ihm den Mund zugeklebt, ihm einen Kissenüberzug über den Kopf gestülpt und ihn für die Fahrt an Händen und Füßen gefesselt. Und auf der ganzen Strecke hatte er Whiskeys Winseln gehört.
Die Typen hatten es natürlich darauf angelegt, dass Seth nicht merkte, wohin sie fuhren. Und das war ihnen auch gelungen. Er hatte nur mitgekriegt, dass sie schnell fuhren, so schnell wie auf einem Highway. Und sie hatten keine der großen Brücken überquert. Jetzt drang regelmäßig das Pfeifen eines Zugs an sein Ohr. Sie mussten also südlich von San Francisco sein.
In der Dunkelheit konnte er das Türschloss nicht mal erahnen. Seine Füße waren fest verschnürt, und die Arme hatten sie ihm mit Plastikhandschellen nach hinten gebunden. Der Kerl namens Murdock hatte ihn an die Wand gedrängt und ihm die Handgelenke nach hinten gebogen, um sie zu fesseln. Das hatte er getan, nachdem Vance den Teller vom Abendessen aufgesammelt und dabei die Kratzspuren an der Tür und die abgebrochene Feder aus dem Bett entdeckt hatte, mit der Seth versucht hatte, das Schloss zu knacken.
Seine Hände wurden allmählich taub. Und er wurde allmählich verrückt.
Die Männer waren verschwunden, kein Zweifel. Draußen im Haus bewegte sich niemand. Er wusste nicht, wann sie zurückkommen würden, aber er fühlte sich verdammt allein. Ob seine Mom auch in der Nähe war?
Mühsam schob er sich zur Tür. »Whiskey?«
Keine Antwort.
Die konnten ihn doch nicht einfach hier liegen lassen! Aber er hatte ein schlechtes Gefühl. Irgendetwas hatte sich verändert. Da draußen braute sich was zusammen.
Im Schneckentempo drang Shepards Mercedes tiefer in den nebelverhangenen Park vor.
Jo konnte die aufkeimende Schärfe in ihrer Stimme hören. »War Ihnen bekannt, dass Slick neurologische Wirkungen hat?«
»Nicht bei Menschen. Wir haben es an Tieren getestet. Sie … Die Ergebnisse waren nicht schön.«
Jos Ton wurde schneidend. »Aber das hat Sie nicht von Ihren Forschungen abgehalten.«
»Natürlich nicht.« Um seine Mundwinkel zuckte es. »Soll ich Ihnen verraten, warum wir Slick ein für alle Mal zerstören müssen? Es destabilisiert Substanzen, die auf Kohlenwasserstoffverbindungen beruhen, und verwandelt sie in Bomben. Es ist geruchlos, farblos und nicht aufspürbar: nicht mit Metalldetektoren, nicht mit Röntgenstrahlen, nicht mit Sprengstoffsensoren, nicht mit Suchhunden.«
»Ach du Scheiße.«
Das war die Traumwaffe jedes Schurken. Alle Kriminellen dieser Welt würden sich die Finger danach lecken. Und die Militärs sämtlicher Staaten. Geheimdienste, die ihre
Feinde auslöschen wollten, ohne Spuren zu hinterlassen. Das organisierte Verbrechen. Die Mafia. Mexikanische Drogenhändler. Der islamische Dschihad. Al Qaida.
Shepard warf ihr einen Seitenblick zu. »Heißt Ihr Schweigen, dass Sie begriffen haben?«
»Leider.«
»Was Sie auch denken, es ist noch schlimmer.«
»Was kann schlimmer sein, als irgendein Kokainbaron mit Privatarmee, der eine unauffindbare Sprengladung in einen Mexicana-Flug schmuggelt? Oder ein Terrorist, der ein
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