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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schritt zurück. »Sie haben nichts gehört oder gesehen?«
    »Nein! Der Hund sprang fröhlich herum, plötzlich fiel er um.«
    »Da traf ihn der Giftpfeil. Es muß ein verdammt schnell wirkendes Gift sein.«
    »Wer … wer schießt denn in Hellenbrand mit Giftpfeilen?« fragte Marius stockend. »Wo leben wir denn hier? Cora! Sie haben tatsächlich Molly ermordet! Mit Absicht getötet!«
    »Die werden sich wundern!« Corinnas Gesicht war wie eine Maske. »Doktor, wir nehmen Molly wieder mit. Und wie sie sich wundern werden, die lieben Hellenbrander!«
    Stefan Doerinck fragte seine Tochter nicht, wo sie die Nacht über geblieben war. Mit dreißig Jahren ist ein Mensch erwachsen genug, um zu überblicken, was er tut. Nur: Wirklich verstehen konnte Doerinck seine Tochter nicht mehr. Er hatte das schon am Morgen, als Corinna nicht zum Kaffee kam und ihr Bett oben in ihrem Zimmer unberührt war, zu Ljudmila gesagt:
    »Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, aber bei dem Gedanken, daß solch ein Kerl wie dieser Herbert mit Cora im Bett liegt, könnte ich zum Schläger werden.«
    »Hast du damals, als wir beide uns kennengelernt hatten, in Rußland, im Krieg – hast du da gefragt, ob es Väterchen recht war, daß ich bei dir schlief, Stefanka?« fragte Ljudmila sanft wie immer.
    »Das war etwas ganz anderes!«
    »Wieso?«
    »Ich war Offizier.«
    »Und du warst unser Feind! Ihr hattet Rußland überfallen, Millionen meiner Landsleute getötet, Elend über das Land gebracht, Städte und Dörfer zerstört, verbranntes Land hinterlassen – und da ging ich mit solch einem Feind ins Bett! Ich, die Russin, was glaubst du, was die Eltern und die Nachbarn gedacht haben? Warum tat sie das? War es nicht ihre Pflicht, ihm das Messer in den Rücken zu stoßen, als er sie umarmte? Warum hat sie's nicht getan, die Verräterin? Ha, man hänge sie auf, diese Hure! Diese Germanskij-Hure! Und ich mußte antworten, wenn einer etwas sagte: ›Hängt mich nur auf, Genossen! Was kann ich für mein Herz? Ich liebe ihn …‹ Corinna hat das gleiche Recht, Stefanka.«
    »Er ist nichts, er kann nichts, er nennt sich Künstler und ist nur ein Hungerkünstler. Krebs hat er auch noch.«
    »Das solltest du nicht sagen, Stefanka.« Ljudmila setzte sich an den Tisch und tunkte das frische Hörnchen, das der Bäckerlehrling jeden Morgen zusammen mit den Brötchen in einem Leinensäckchen an der Vorgartentür des Lehrers Doerinck deponierte, in den Kaffee. Sie tat das seit ihrer Kindheit … zuerst in Kakao, später in Tee, in Deutschland dann in Kaffee. Jeden Morgen freute sie sich auf das eingetunkte, süßliche Hörnchen. Es waren Minuten, an denen der Tag für sie noch in Ordnung war. »Auch ich hatte Krebs …«
    »Er ist weg!« sagte Doerinck und starrte in seine Kaffeetasse. »Außerdem ist das kein Vergleich.«
    »Corinnanka wird vielleicht auch seinen Krebs heilen. Und ob er ein großer Künstler wird oder nicht – sie lieben sich! Das ist wichtig! Wußte ich, was aus mir in Deutschland wird? In diesem schrecklichen Land, das Millionen Soldaten in unser Land warf, um uns zu töten? Nein! Mir war nur eines klar: Daß ich dich liebe. Und das war mir genug für alle Zukunft … Einen guten Morgen, Stefanuschka! Nimm dieses Brötchen, es ist besonders braun und knusprig, so wie du es gern hast …«
    Zwei Stunden später quirlte es im Hause Doerinck.
    Im Garten lag auf einer Steinbank die tote Molly. Dr. Roemer telefonierte mit der Kriminalpolizei in Münster und verlangte, daß Kriminaloberrat Fernich sofort nach Hellenbrand komme. Im Wohnzimmer saß betreten Bürgermeister Beiler, stierte auf den Torso des Giftpfeiles und bestätigte, es sei unfaßbar, daß in Hellenbrand jemand mit Giftpfeilen um sich schießt. »Wir müssen verhindern, daß dies an die Öffentlichkeit kommt«, sagte er entsetzt. »Stellt euch das vor! Die Überschrift: Urwald im Münsterland! Die Pfeilindianer von Hellenbrand! – Gegen so was sind Ostfriesenwitze Kinderreime …«
    Dr. Roemer, dessen hallende Stimme man vom Telefon her bis ins Zimmer gehört hatte, kam zurück. »Er rückt ran«, sagte er zufrieden. »Fernich selbst. Als er hörte, daß ein Hund erschossen wurde, wollte er kneifen, aber da kennt er mich schlecht! Es war ein Fehlschuß, habe ich gesagt. Der Pfeil war in Wirklichkeit für Corinna bestimmt. Ein versuchter Mord war das. Und wenn Sie jetzt immer noch nicht kommen, lasse ich mir Ihren Präsidenten geben und ertränke Sie in Scheiße!« Dr. Roemer

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