Die strahlenden Hände
nicht aus Lust, sondern voll Entsetzen –, und er zwang sich in sie hinein, entwickelte eine Kraft, die seinen ausgezehrten Leib fast zerreißen mußte, schob die Arme unter ihre Hüften, drückte sie hoch, fiel mit dem Gesicht wieder auf ihre Brüste und sog mit weitgeöffnetem Mund die Luft ein, als ersticke er in der brennenden Leidenschaft seines wild sich aufbäumenden Körpers.
Ihr Widerstand ließ plötzlich nach und ging in völlige Hingabe über. Die Minuten, in denen Marius von ihr Besitz ergreifen wollte und sie gegen ihre Abwehr mit unfaßbarer Kraft bezwang, waren erfüllt von einem aus der Erinnerung gespeisten Entsetzen. Diese Erinnerung war es, die ihren Körper erstarren ließ, ihr Gefühl der Lust lähmte und sie zwang, zu beißen, zu kratzen, mit den Fäusten zu schlagen. Nicht wieder, schrie es in ihr. Nein, nicht wieder dieses schreckliche Ende! Nicht bei Marius! Ich will das nie, nie wieder erleben … so wie damals mit meiner ersten großen Liebe.
Er hieß Holger Bernau. Student der Medizin im siebten Semester. In Münster war es. In der Anatomie lernten sie sich kennen, am marmornen Seziertisch, neben den Wannen, in denen die Leichenteile in der Formalinlösung schwammen. Nicht gerade ein Ort, um sich zu verlieben. Und doch war es wie ein Blitzeinschlag. Sie begegneten sich, als Bernau, in der Anatomie dem Professor helfend, die jungen Studenten mit einem Grinsen empfing, weil es jedesmal einigen Kommilitoninnen übel wurde und sie bleich wieder hinausliefen. Dann sah er Corinna an, und Corinna sah ihn an, und in derselben Sekunde wußten sie, daß sie aufeinander zutreiben würden.
Am Seziertisch – sie hatte einen Unterarm vor sich liegen und mußte einige Sehnen freipräparieren – stand er später neben ihr und sagte ganz einfach: »Wann können wir uns außerhalb der Leichen sehen?« Und sie hatte geantwortet: »Ich habe immer Zeit.«
Sie trafen sich am Abend im Rathaus-Keller, tranken viel Wein und küßten sich auf dem Heimweg. Holger Bernau war ein großer Mann mit breiten Schultern; ein Sportstyp, muskelbepackt, hellblond, mit immer fröhlichem Gesicht. Corinna empfand diese Liebe als Vollkommenheit von Glück und Leben. Bis etwas geschah, das unbegreiflich und entsetzlich zugleich war – an jenem Abend, an dem sie sich nach einigen leidenschaftlichen Küssen nicht trennten, sondern zu Holger Bernaus Wohnung fuhren. Er konnte sich bei dem Geld, das sein Vater, Professor Dr. Ludwig Bernau, Chemiker bei Bayer, ihm schickte, eine eigene Wohnung in einem Landhaus bei Wilkinghege leisten. Und hier, bei Kerzenlicht und leiser zärtlicher Musik, bei Champagner und süßem Gebäck, ganz kitschig und doch so betäubend romantisch, zogen sie sich gegenseitig aus und tanzten eng umschlungen durch die Zimmer bis zu dem französischen Bett.
Es war ein Hingabe, in der Corinna sich aufzulösen schien. Aber im Augenblick ihres größten Glücks, im Verströmen aller Zärtlichkeit schrie Holger Bernau plötzlich auf, wälzte sich von ihr, rollte über den Teppich, sprang vor dem Spiegel auf und sah sich entsetzt seinen Rücken an.
»Da brennt etwas!« schrie er. »Irgend etwas hat mich verbrannt. Das war, als ob ein glühendes Eisen in mich dringt. Cora, siehst du etwas?« Er ließ sich auf einen Stuhl fallen, starrte Corinna entgeistert an und schüttelte den Kopf. »Mein Gott, was war denn das? Das habe ich noch nie gehabt … als wenn mir Feuer über den Rücken fällt …«
Sie lag da, nackt hingestreckt, blickte an die Decke und biß die Zähne zusammen. Ihre Hände preßten sich flach gegen das Bettlaken, und plötzlich haßte sie diese ihre Hände, die Strahlen ausschickten und Krankheiten vertrieben, die ein Wärmefeld in andere Körper strahlten und Zellen mit bio-energetischer Kraft veränderten. Abgrundtief haßte sie in diesem Augenblick diese Hände, die im Gipfel der Ekstase den Körper, den sie umarmten, verbrannten mit den entfesselten Strahlen der unerklärbaren, geheimnisvollen Kraft.
»Ich … ich sehe nichts …«, hatte sie damals nach diesem Erlebnis, mit einem Blick auf Holgers Rücken, mühsam gesagt. »Dummheit! Wo sollst du dich verbrennen?« Und Holger Bernau war ins Badezimmer gerannt, hatte sich ein nasses, kaltes Handtuch über den Rücken geworfen, als habe er sich wirklich verbrannt und war verstört zu ihr zurückgekommen. Sie hatte die Decke über ihren nackten, zitternden Körper gezogen, verfluchte ihre Hände und hatte Mühe, den unvermittelten Abbruch
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