Die strahlenden Hände
ihrer sexuellen Ekstase, den sein Aufschrei verursacht hatte, ohne Schluchzen zu verkraften. Er saß neben ihr auf der Bettkante, und das kalte Wasser tropfte von seinem Rücken auf die Matratze.
»Was war denn das?« fragte er völlig verwirrt. »Du lieber Himmel, so was gibt es doch nicht!«
»Ich weiß nicht, was passiert ist«, antwortete sie schwach und sah ihn dabei nicht an.
»Wo deine Hände lagen, da war es, als würden sie Löcher in meinen Rücken brennen.«
»Du warst völlig weg von dieser Welt …«
»Ich spür's ja noch jetzt!« Er riß das nasse Handtuch weg und drehte Corinna seinen Rücken zu. »Kommen Brandblasen?«
»Woher denn?« rief sie, schwer atmend. »Du redest ja völlig dummes Zeug!« Sie kroch in sich zusammen, rollte sich in die Decke ein und ballte die Fäuste. Diese Hände, dachte sie. Verflucht seid ihr! Wie kann ich ihm jetzt, gerade jetzt erzählen, was mit meinen Händen los ist? »Du bist eben im Bett eine Ausnahmeerscheinung«, sagte sie mit bewußter Frivolität, »du kannst regelrecht explodieren.«
»Das wird es sein!« Er hatte etwas verzerrt gegrinst, sich über sie gebeugt und geküßt. »Bei einer Frau wie dir muß man explodieren …«
Sie hatten sich später weiter geliebt, aber es war nicht mehr die Leidenschaft wie vorher. Sie berührte ihn nicht, sie ließ die Hände seitlich neben sich liegen, als gehörten sie ihr nicht; sie vergingen in gemeinsamer Liebe, aber Corinna wagte es nicht mehr, ihn zu streicheln, ihn zu umarmen, ihn irgendwo zu fassen. In dieser seelischen Zerrissenheit war ihre Hingabe wie eine freiwillig dargebrachte Opferung: Sie lag da, empfing ihn, verglühte in starrer Seligkeit und trug seinen heißen, schweißdampfenden Leib in der nur halb erfüllten Sehnsucht, eins sein zu können mit ihm.
Noch viermal kamen sie in den späteren Wochen zusammen. Es war eine Liebe, die den Himmel auf die Erde riß, und noch zweimal passierte es, daß Holger Bernau mit einem Aufschrei auffuhr, wenn Corinna in der Besinnungslosigkeit der Leidenschaft ihre Arme um ihn schlang und ihre Hände sich auf seinen Körper drückten.
»Es kommt von dir!« stöhnte er zuletzt. »Es kann nur von dir kommen! Deine Hände sind wie Feuer … Wie ist das nur möglich?«
Nach dieser Nacht war sie verändert. Sie ging Holger aus dem Weg, versteckte sich, wenn er vor der Universität auf sie wartete; ließ ihn brüsk stehen, wenn er sie doch traf; ließ sich am Telefon verleugnen und hockte nächtelang in ihrem Zimmer, biß in ihre verdammten Hände, hielt sie unter heißes Wasser, bis sie fast verbrüht waren, weinte stundenlang, verzehrte sich nach Holgers Liebe und wußte doch genau, daß es für sie keinen Weg in ein normales Leben geben konnte.
Als gar nichts mehr half, kein Weglaufen und Verstecken, kein Verleugnen und keine Lügen, daß sie ihn nicht mehr liebe, da schlug sie ihm vor der Universität, vor allen Leuten ein paarmal ins Gesicht. Den Blick seiner Augen vergaß sie nie, dieses sprachlose Entsetzen, diese qualvolle Frage, diese herzzerreißende Klage – alles lag in diesem letzten Blick. Dann wandte er sich ab und ging mit gesenktem Kopf davon.
In jener Nacht war Corinna bereit, ihr Leben wegzuwerfen. Sie hatte ein Skalpell mitgenommen, saß in der Badewanne und sagte sich zum wiederholten Male, daß der schönste, schmerzloseste Tod das Aufschneiden der Pulsader sei. Nur der eine, tiefe, durchtrennende Schnitt tat weh … dann folgte die immer größer werdende Müdigkeit, das Hinwegdämmern, das schwebende Hinübergleiten in die unendliche Weite, die Auflösung von Körper und Raum.
Ein Klopfen an der Tür hatte sie gerettet, und der Ruf ihres Vaters: »Cora, Dr. Hambach ist zu Besuch da. Kommst du gleich runter?« Und sie hatte mit fester Stimme geantwortet: »Ich weiß nicht, Papuschka! Ich … ich sitze gerade in der Wanne. Es … es dauert noch etwas.«
»Ich glaube, es geht ihm nicht gut«, hatte Stefan Doerinck gesagt. »Stell dir vor – er will keinen Korn trinken!« Da hatte sie das Skalpell zur Seite gelegt, war aus der Wanne gestiegen, hatte sich wieder angekleidet und war in das Wohnzimmer gegangen. An diesem Abend fühlte sie in ihren Fingerspitzen zum erstenmal, daß Dr. Hambach, den sie Onkel Ewald nannte, unter einer tückischen Krankheit leiden mußte. Sie konnte sie noch nicht finden, sie spürte nur die feindliche Gegenstrahlung, die von Dr. Hambach ausging. Erst viel später dann, als sie schon ihr Teppichatelier hatte,
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