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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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befreite sie ihn von seiner chronischen Prostatitis.
    Seitdem zog Corinna sich jedesmal zurück, wenn ein Mann ihr zu nahe kam, wenn er mehr wollte als einen Kuß. Die Angst vor ihren Händen, vor dem Glühen, das in den anderen Körper überfloß, ließ sie versteinern. Die Männer begriffen nicht, warum sie zurückgestoßen wurden von einer Frau wie Corinna, deren Körper Leidenschaft ausströmte, der aber erstarrte, sobald man ihn berührte. Und jedes Drängen wurde mit Flucht beantwortet, mit dem sofortigen Lösen aller Bindungen.
    So war das alles gewesen, damals, und die ganze Zeit bis heute. Nun lag Corinna auf dem schmalen Bett, über sich die im Wind schlagende Zeltleinwand. Und neben ihr lag schweratmend Marius, mit dem Kopf halb aus dem Bett, die Beine noch mit ihren Beinen verschlungen, mit einer Hand auf einer ihrer Brüste. Zitternd vor Angst wartete sie darauf, daß er rief: »Ich brenne! Was ist das? Ich brenne!« Würde er gleich aufspringen und herumrennen oder sich auf dem Boden wälzen wie jemand, der wirklich in Flammen stand, und würde sie wieder steif daliegen, die Hände an sich gepreßt und verzweifelt fragen: Kann man so weiterleben?
    Marius hob den Kopf, schob ihn neben Corinna und schloß die Augen. »Wo sind wir?« sagte er leise. »Nein, beweg dich nicht, sei ganz still! Ich will nicht wieder weg aus diesem Glück … ich fühle deinen Körper, höre dein Herz und spüre, wie du zitterst, wie es unter deiner Haut bebt … es ist so unbeschreiblich schön, so unbeschreiblich … Warum kann die Zeit jetzt nicht stillstehen? Sag nichts … ich will nicht erwachen!«
    So lag sie also da, eine ganze Weile; er schmiegte sich an ihren Körper und sie erhob zaghaft ihre Hände und umfing wieder seinen schmächtigen, heftig atmenden Leib. Nein, er zuckte nicht auf, er war auch im höchsten Glück nicht vor ihr geflohen, hatte nicht geschrien: »Ich verbrenne!« Sie waren ineinandergegangen, und ihre Hände, die ihn streichelten und kratzten und schlugen und seinen Leib auf den ihren preßten, hatten die Lust nicht zerstört. Das war eine so wundervolle Erkenntnis, daß sie zu weinen begann und sich seiner nachklingenden Zärtlichkeit hingab.
    Plötzlich zuckte er hoch, starrte sie voll Entsetzen an und riß sie in seine Arme hoch. »Du blutest ja!« rief er. »Was … was habe ich denn gemacht?«
    »Das ist von dir. Das ist dein Blut auf meiner Haut.« Sie hing in seinen Armen und war unendlich glücklich. »Ich habe dich in den Hals gebissen …«
    »Ich habe nichts gemerkt.«
    »Gar nichts, mein Liebling?«
    »Überhaupt nichts.«
    »Ich habe dich geschlagen, gekratzt und gebissen.«
    »Ich habe nichts gespürt, nur dich … nur dich … O Cora, ich habe Angst, daß das alles gleich vorbei ist, daß es hell wird und es heißt: Was ist denn los? Wach auf! Die Sonne scheint! Wie kann man nur so träumen …«
    Er drückte sie so fest an sich, daß sie nach Atem rang, dann aber verkroch er sich in ihre Umarmung, ihre Körper verschlangen sich ineinander, und so schliefen sie ein, ein Knäuel aus Gliedmaßen, wie unzertrennbar miteinander verschmolzen.
    *
    Am nächsten Morgen fuhren sie mit Mollys Leichnam zu Dr. Mayer.
    »Der Hund ist vergiftet worden, ganz klar«, sagte er, nachdem er Molly betrachtet und mit Gummihandschuhen ihr Maul geöffnet hatte. »Aber mit welchem Gift, das kann ich nicht sagen. Das kann nur das veterinärmedizinische Institut in Münster feststellen. Wollen Sie den Hund wirklich obduzieren lassen?«
    »Ja.« Marius wandte sich ab. Mollys Anblick weichte wieder seine Beherrschung auf. »Auch wenn sie in aller Augen nichts als ein elender Bastard war – was sie mir persönlich bedeutete, das kann niemand ermessen. Ich will wissen, woran sie gestorben ist.«
    »Also gut. Bringen wir sie nach Münster.« Dr. Mayer strich mit der Hand über den Rücken des Hundes und stutzte plötzlich. Er beugte sich vor, schob die Haare zur Seite und sah das abgebrochene Holz im Fleisch. Mit Schere und Pinzette erweiterte er die Wunde und holte aus ihr den vorderen Teil des Pfeiles heraus. »Das war es!« sagte er und hielt dem sprachlosen Marius den Pfeil unter die Nase: »Der Hund ist erschossen worden.«
    »Erschossen?«
    »Mit einem Giftpfeil.«
    »Das … das gibt es doch nicht …«, stammelte Marius und starrte Corinna an. »Cora … mit einem Giftpfeil!«
    »Der Beweis ist doch wohl eindeutig.« Dr. Mayer legte den abgebrochenen Pfeil auf einen Zellstoffstreifen und trat einen

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