Die strahlenden Hände
verboten …«, stotterte ein Assistent heiser vor Ergriffenheit.
»Wenn sie keine Zigarette bekommt, ist alles zu Ende!« rief Doerinck.
»Interessant!« Neroschenko wartete ab, bis ausgerechnet Soja Igorowna aus ihrer Tasche eine Packung Papirossy holte, Feuer gab und Corinna die ersten Züge geradezu verschlang. Marius war aufgesprungen, hinter Corinna getreten und stützte sie. Es sah aus, als knicke sie, völlig kraftlos, in den Knien ein.
»Das ist ja fast wie Mord!« sagte er rauh. »Das mache ich nicht mehr mit!«
Neroschenko rieb wieder seine glänzende Glatze. Die Kamera lief noch immer. »Wir werden jetzt sofort im EKG Corinna Stefanownas Puls und Herztätigkeit, im EEG die Hirnstromaktivität und dann den Blutzuckergehalt untersuchen«, sagte er in die Mikrofone. »Danach schließen wir sie an ein elektrisches Feldmeßgerät an, einen Sergejew-Detektor, um das Kraftfeld des Bioplasmas zu messen.«
Zwei Assistenten führten die noch immer leicht benommene Corinna zu der Liege neben dem EKG, setzten die Ableiter an und gaben den Direktschreiber frei. Die Fernsehkamera nahm die Kurven auf. Dem EKG folgte das EEG, aus der Armvene wurde Corinna Blut entzogen zur Schnellbestimmung des Blutzuckers … dann rollte man sie hinüber zum Sergejew-Detektor. Neroschenkos Stimme war von nüchterner Klarheit, als er die Ergebnisse sofort in die Mikrofone sprach:
»Im EKG zeigt sich deutlich eine arhythmische Herztätigkeit, das Hirnstrombild im EEG beweist eine hochgradige emotionale Erregung, wie man sie bei einer bis an die Grenze der Belastbarkeit gehenden Streßsituation vorfindet. Der Körper wird außergewöhnlich angestrengt und im Augenblick des Psychokinese-Effekts konzentriert geschwächt. Der Sergejew-Detektor, also das elektrische Feldmeßgerät, zeigt ein Kraftfeld des Hinterkopfes, also von der Rückseite des Gehirns produziert, das dreiundfünfzigmal stärker ist als das Stirnseitenkraftfeld. Normal ist zwischen Kraftfeld Hinterkopf und Kraftfeld Stirnseite ein Verhältnis von drei zu eins. Die psychische Energie von Corinna Stefanowna ist somit nicht nur überdurchschnittlich, sondern geradezu einzigartig … wirklich eine beispiellose psychokinetische Energie!«
Neroschenko brach die Experimente ab. Dieser erste Tag wurde bereits von einem sensationellen Erfolg gekrönt. Es war der Beweis erbracht, daß die ›Strahlenden Hände‹ keine phantastische Erfindung waren, sondern daß Corinnas Hände wirklich strahlten. Gemessen und sichtbar gemacht durch modernste elektronische Kraftfeld-Meßinstrumente.
Neroschenko kam zu Corinna, die noch immer in ihrem Super-Bikini auf der Untersuchungsliege hockte und nun die dritte Zigarette inhalierte. Er umarmte sie, drückte sie an sich und sagte bewegt:
»Du bist einmalig, mein Töchterchen. Mit dir werden wir in Dimensionen vordringen, die bisher der Menschheit verschlossen schienen.«
Dann küßte er sie, nahm ihr die Zigarette aus der Hand, steckte sie sich zwischen die Lippen und rauchte sie zu Ende.
»Die letzten Worte löschen wir auf dem Videoband«, sagte er zur Kamera hin. »Wir wollen doch wissenschaftlich bleiben …«
Um drei Uhr nachmittags flogen sie vom Flugplatz Wnukowo aus mit einer zwanzigsitzigen Turboprop-Maschine nach Tscheljabinsk im Ural. Die Organisation klappte vorzüglich, das Gepäck lag im Flugzeug, die Pässe hatte Soja in der Tasche, es gab keine Kontrollen. Zwei Milizionäre, die das Flugzeug bewachten, grüßten freundlich. Der Pilot trug eine schlichte Uniform ohne Rangabzeichen. Der Kopilot steckte in einem weißen Overall. Sogar bedient wurden sie während des Fluges; Soja Igorowna spielte die Stewardeß.
In knapp dreitausend Meter Höhe flogen sie über das weite Land, über riesige Wälder, weite Felder, hügeliges, verstepptes Gelände, Dorfgruppen und kleine Städte, Wege und Straßen ins Unendliche … fast leer, kaum befahren, schweigende Einsamkeit. Nur die Schienenstränge waren belebt; wie schwarze Schlangen huschten die Züge durch das Land. Hinter Kasan, bei den Stauseen von Uljanowsk, stieg man auf viertausend Meter. Die Weite unter ihnen wurde weiß – der erste Schnee in diesem Jahr.
Corinna, die am Fenster saß, legte plötzlich ihre Hand auf Marius' Knie. Er sah sie fragend an.
»Ich muß dir etwas mitteilen«, sagte sie so leichthin, als plaudere sie über Belangloses. »Ich habe meine Periode nicht bekommen.«
»Das ist doch nicht möglich!« Marius begann zu stottern und schluckte mehrmals.
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