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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verstehen. Wie gut, dachte er, daß ich mit Ljudmila nie aufgehört habe, russisch zu sprechen. Jetzt zahlt sich das aus.
    »Der Badeanzug Corinna Stefanownas ist von drei Mitarbeitern untersucht und meßtechnisch behandelt worden«, sagte Neroschenko und tippte mit dem Zeigefinger auf das winzige Bikini-Oberteil. »Der Stoff ist neutral, weist keinerlei elektromagnetische Reaktionen auf, besteht aus reiner Schafwolle.« Er sah Corinna plötzlich sehr ernst an und fragte auf deutsch: »Sie bereit sind?«
    »Ich weiß zwar nicht, was man gleich mit mir machen wird«, sagte Corinna deutlich, »aber ich bin zu allem bereit.«
    »Danke.« Neroschenko polierte wieder einmal seine Glatze. »Bitte, waschen Sie sich die Hände.«
    Einer der Assistenten führte Corinna zu einem Porzellanbecken, verfolgt von der Kamera, und deutete hinein. Es war mit einer milchigen, stark nach Thymian riechenden Flüssigkeit gefüllt. Corinna tauchte beide Hände bis zu den Unterarmen in das Becken und blieb so stehen, bis Neroschenko winkte. Ohne sich abtrocknen zu können, mit tropfenden Händen, kam Corinna in die Mitte des Raumes zurück. Dort hatte man jetzt einen Tisch hingeschoben. Auf ihm standen und lagen Gläser, eine Zündholzschachtel, ein Kompaß, einige Goldringe, drei unterschiedlich große Metallkugeln, ein paar Blätter Papier und zwei dünne Porzellanschälchen. Corinna schlenkerte die Hände etwas, um die Nässe wegzuschleudern.
    »Die Hände von Corinna sind nun völlig isoliert worden«, sagte Neroschenko in die Kamera hinein. »Es ist ausgeschlossen, daß magnetische Teilchen an ihnen haften oder daß irgend ein verborgener Trick angewandt werden kann. Corinna Stefanowna wird jetzt nur durch die Ausstrahlung der eigenen Energie, einer psychischen Energie, ein Kraftfeld erzeugen, das anscheinend tote Gegenstände bewegt. Ich sage anscheinend, denn in Wahrheit lebt alles, besteht aus Atomen und sich aufbauenden Molekülen, ist also in einer ständigen Bewegung, die das träge menschliche Auge nie erkennen und begreifen wird. Durch den Einsatz der Psychokinese – oder sollen wir es Bio-Kommunikation nennen oder Bio-Plasmafeld – sehen wir plötzlich, daß konzentrierte psychische Energie unsere gewohnte Wirklichkeitsdimension aufhebt.« Er blickte wieder Corinna an. »Wie ist?« fragte er auf deutsch.
    Corinna nickte stumm. Sie schloß für einen Moment die Augen, konzentrierte sich und spürte plötzlich aus dem Inneren heraus eine grenzenlose Weite, eine von einem hellen, summenden Ton erfüllte Unendlichkeit. Als sie die Augen wieder öffnete, erblickte sie das Wasserglas, das als nächster der Gegenstände vor ihr auf dem Tisch glänzte.
    Langsam streckte sie die Hände aus, formte sie zu Schalen, hielt sie senkrecht vor das Glas … es gab einen hellen Klang, wie eine Explosion, und das Glas zerplatzte in winzige Teilchen.
    Marius Herbert ließ sich auf einen der Hocker fallen, die herumstanden. Mit beiden Händen zerwühlte er sein Haar. »Du meine Fresse!« stammelte er. »Oje …« Dr. Hambach schluckte, Doerinck bekam einen roten Kopf. Nur Ljudmila lächelte wie ein Engel.
    Mit ausgestreckten Händen beugte sich Corinna nun über den Tisch. Als sie zehn Zentimeter über dem vorderen goldenen Ring schwebte, begann sich der Ring zu bewegen und glitt über die blanke Tischplatte. Die Hände wanderten weiter … ohne Berührung setzten sich die Porzellanschälchen in Bewegung, die Papierblätter wendeten sich um. Als Corinna ihre Hände kreisen ließ, drehte die Kompaßnadel sich neunmal um sich selbst, die Metallkugeln erhoben sich etwa zwei Zentimeter über den Tisch und schwebten frei in der Luft.
    In dem großen Raum war es totenstill. Mit einem schnellen Griff leerte Neroschenko die Streichholzschachtel und verschüttete die Streichhölzer über den Tisch. Corinnas Hände schwebten über die Holzstäbchen hinweg … diese begannen sich ganz langsam zu bewegen, krochen über die Tischplatte, sammelten sich und wurden zu einem Häufchen – so, wie die Strahlen, die sie lenkten, es befahlen. Zum Schluß breitete Corinna noch einmal ihre Hände vor einem großen Glas aus … klirrend zerfiel es in krümelige Scherben.
    Mit diesem Klirren schien Corinna aus der Unendlichkeit zurückzukehren. Sie warf den Kopf in den Nacken: Für alle, die sie kannten, das Zeichen, daß es vorbei war. Und Doerinck rief in die lähmende Stille hinein: »Eine Zigarette … schnell, eine Zigarette …«
    »Hier … hier ist Rauchen

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