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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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so etwas gibt!
    Plötzlich, einem unaufhaltsamen Impuls folgend, mußte er weinen. Er drückte sich an ihren glatten, warmen Körper, legte ganz vorsichtig seine Hand auf ihren Leib und preßte sein Gesicht in das Kissen.
    Ich kann nur leben durch sie, dachte er. Es gäbe mich nicht mehr ohne sie. In welch einem Wunder lebe ich!
    *
    In dieser Woche malte Marius Herbert drei Bilder.
    Soja Igorowna hatte ihm aus Tscheljabinsk geweißte Leinwand, Rahmen, eine Reisestaffelei, eine Palette, Terpentin und alles andere mitgebracht, was er brauchte. Auf sein Erstaunen hin sagte sie ziemlich schnippisch: »Die hochnäsigen Kapitalisten glauben immer, Sibirien sei die wahre Wildnis, und wir Russen spielten noch mit Hasenkot Domino. Tscheljabinsk ist eine moderne Großstadt, Genosse Marius! Wir haben dort allein drei Kunstschulen. Wir haben große Ausstellungen im Kulturpalast. Wir haben ein Sinfonieorchester. Eine Ballettschule gibt es, eine technische Akademie, vier Theater, ein großes Sportzentrum. Was denkt ihr im Westen bloß über Sibirien? Niemand von euch ahnt – oder will es wissen – daß hier die Zukunft des neuen Jahrtausends liegt!«
    Marius' Bilder waren genial. Nur so und nicht anders konnte man sie bezeichnen in ihrer Auflösung der realen Form und deren Wiedergeburt durch das Zusammenspiel und den Rausch der Farben. Ein Ineinanderfließen des Gegenständlichen, das wieder sichtbar wurde, wenn man zurücktrat und in dem scheinbaren Chaos plötzlich erneut den Sinnzusammenhang erkannte. Eine Vision der Wirklichkeit durch die bannende Zauberkraft der Farben.
    So etwas hatte man noch nicht gesehen. Eine fieberhafte Faszination, die den Betrachter in einen Taumel ästhetischer Ekstase riß. Als Doerinck das erste fertige Bild sah – es war ein Blick auf Tscheljabinsk durch einen von der Sonne durchgoldeten Nebel hindurch –, streckte er Marius spontan die Hand entgegen: »Das ist großartig … Kerl!«
    Das war mehr als hundert Zeilen emphatischer Kunstkritik. Auch das KERL … jetzt war's ein Ehrenname. Marius berichtete es stolz Corinna. Seine Verwandlung wurde immer deutlicher sichtbar; er glaubte nun an sich und an seine Kunst, malte wie ein Besessener Stunde um Stunde und diskutierte mit Soja Igorowna über seine Bilder und über Pläne, die er plötzlich zu entwickeln begann.
    Professor Neroschenko erklärte nach dieser intensiven Woche, daß es nichts mehr gäbe, was man noch filmen könnte. Ein abschließender Höhepunkt war allerdings der letzte Tag: Da stand Nikita Michailowitsch Masurow von seinem Bett auf, noch ein wenig wackelig auf den Beinen, aber fröhlich, schmerzfrei und ohne jegliche Beschwerden. Corinna hatte ihn dreimal behandelt und dann gesagt: »Es ist nicht mehr nötig.«
    Jetzt erlaubte Neroschenko, daß man Masurow hinunter nach Tscheljabinsk ins Krankenhaus fuhr. Dort wurde den Röntgenärzten nichts gesagt von dem, was im Neroschenko-Institut vorgefallen war. Es hieß nur: Der Genosse Masurow hat unbestimmte Magenschmerzen. Bitte doch mal kontrollieren! Das tat man dann auch, mit Kontrastbrei und Magenaufnahmen, mit Ultraschallbildern und einer neuen Gastroskopie, bei der ein Endoskop mit einer kleinen Farbkamera den gesamten Magen ausfotografierte.
    Die Untersuchungsergebnisse waren sensationell – zwar nicht für die ahnungslosen Ärzte in Tscheljabinsk, um so mehr aber für das Forscherteam von Neroschenko. Die Endofotografie und auch alle Röntgenbilder zeigten einen gesunden Magen mit einigen Vernarbungen am Pars descendens. Die Ärzte diagnostizierten einen frühen, von selbst abgeheilten Ulcus. Die Beschwerden des Genossen Masurow müsse man als nervlich bedingt ansehen.
    Neroschenko war begeistert. »Ihren Namen wird in ein paar Monaten die ganze Welt kennen, Corinna Stefanowna!« rief er und prostete ihr am Abend mit Krimsekt zu. Dazu gab es Kaviar mit Blinis und Tarti Tschamporsch Schamzuari, ein Fischgericht aus dem Kaukasus, bei dessen Anblick Ljudmila in die Hände klatschte, denn es waren dicke Stücke von Stör und Schwertfisch, am Spieß gegrillt. Ferner eine große Schüssel voll Sabsi Pies – geschmorte Mohrrüben mit goldbraun gerösteten Zwiebeln. »Sie werden eine der berühmtesten Frauen unserer Zeit werden!«
    »Und außerdem eine der gehetztesten und angefeindetsten Frauen unserer Zeit«, ergänzte Dr. Hambach düster. »Was erwarten Sie von unserer Mitwelt, Professor Neroschenko? Beifall? Anerkennung? Eine faire Auseinandersetzung mit dem Phänomen? Genau

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