Die strahlenden Hände
verwundern.«
»Ich bin mehr gespannt auf den Anlaß.« Doerinck setzte sich, und auch Willbreit nahm wieder im Sessel Platz. Ljudmila stellte das Kognakglas hin, ihre Hand zitterte dabei leicht. Ihr Blick bettelte Doerinck an: Friß ihn nicht sofort, Stefanka! Ich weiß auch nicht, was er hier will.
»Zunächst freut es mich, Ihre Gattin so munter zu sehen.«
»Das ist uns allen eine große Freude, Herr Professor.« Reden wir nicht drum herum, dachte Doerinck. Ich war immer ein Mensch der Klarheit. »Bei der Prognose, die meine Frau aus Münster mitgebracht hat …«
»Ja, das ist es.« Willbreit trank seinen Kognak mit zwei kleinen Schlucken halb leer und setzte das Napoleonglas vorsichtig zurück auf die Tischplatte. Damit gewann er ein paar Sekunden Zeit, seine nächsten Worte zu überlegen. »Ich habe mir sehr viele Gedanken darüber gemacht, vor allem, als ich von dem Verzicht auf die Operation hörte. Noch mehr, als ich die Begründung vernahm. Darf ich es so ausdrücken: Ich war erschüttert.«
»Dazu besteht kein Anlaß.« Es war der erste Satz, den Corinna nach der Begrüßung sagte, und es war die Eröffnung der Schlacht. »Mama geht es blendend.«
»Sie gestatten, daß ich da Zweifel anmelde.« Das klang grob, und die Fronten waren nun aufgebaut.
Doerinck nahm Ljudmila die Flasche aus der Hand, stellte sie auf den Tisch und sah Willbreit abtastend an. »Bevor wir ins einzelne gehen, Herr Professor, sei noch gesagt, daß der Besuch Ihrer Initiative entspringt.«
»Ich mußte kommen!« Willbreit schob seine Aktentasche näher an sein rechtes Bein. »Ich bin damals um volle Offenheit gebeten worden, und ich habe sie gegeben.«
»Dafür schulden wir Ihnen Dank. Sie hat uns sehr geholfen, Ihre Offenheit.«
»Sie war der letzte Anstoß«, sagte Corinna in die Stille, die sich nach diesem Satz ausbreitete. »Sie haben am Telefon bestätigt, daß Sie nicht in der Lage waren, meine Mutter zu heilen.«
»Ich möchte es anders ausdrücken. Ich habe Ihnen bestätigt, daß es keine Heilung gibt, sondern daß lediglich ein Verschieben des tragischen Ereignisses möglich wäre. Sie werden mir doch zugestehen, daß ich Befunde und Röntgenbilder lesen kann. Es gibt Hunderte von Vergleichsmöglichkeiten. Der Verlauf einer solchen Erkrankung ist übersehbar.«
Corinna nickte. »Vom Chirurgischen her – sicherlich.«
»Mir geht es wirklich sehr gut!« warf Ljudmila ein. Sie spürte, wie sich hier eine Katastrophe anbahnte und sie wollte versuchen, mit ihrem mageren Bekenntnis noch etwas zu retten. »Ich hätte Ihnen am Telefon nie sagen dürfen, was Cora hier mit mir macht.«
»Von diesem Anruf weiß ich nichts. Du hast nie etwas davon erzählt.«
»Nein.« Ljudmila senkte den Kopf. »Ich habe erst hinterher gemerkt, wie dumm ich gewesen bin. Doch da war es zu spät. Sag nichts, dachte ich mir, der Herr Professor ist in Münster, wir sind hier. Er hat das Bett frei und wird sich nicht wieder melden. Ich habe nie daran gedacht, daß Sie zu uns kommen würden.«
»Das Gespräch mit Ihrem Fräulein Tochter war eine Herausforderung. Was Sie mir dann später sagten, konnte ich nicht akzeptieren.« Er drehte sich zu Corinna um. Sie saß auf der Couch, die Beine vorgestreckt. Eine faszinierende Frau, dachte Willbreit. Die Mutter in jüngerer Ausführung, nur noch viel schöner. Sein Blick glitt über sie und blieb an ihren Händen haften. Das sind sie also: lange, schmale Finger, deutlich zu lang für eine Frau. Zehn Antennen, mit Fleisch und Haut überzogen. Blödsinn! Nicht Antennen … Sender! Oder doch beides? Ihr Gesicht ist umwerfend. Wo ist die Mutter geboren? In Poti am Schwarzen Meer. Kaukasien. Oder wie der Russe sagt: Grusinien. In diesem Gesicht spiegeln sich Geheimnisse wider. Hinter diesen Augen leben andere Welten. Einfach faszinierend …
Er riß sich zusammen, fühlte sich idiotisch und flüchtete gedanklich zur Abwehr ins Ordinäre: Das sind Titten, was? Und die Beine und die Schenkel! Das muß ein Fest sein, sie im Bett zu haben …
»Nicht akzeptieren!« wiederholte er etwas lauter. »Nun sind wir beim Thema, und ich nehme an, Sie erwarten von mir weiterhin rücksichtslose Offenheit. Also gut: Ich bezweifle eine Besserung der gnädigen Frau. Ja, es ist unmöglich!«
»Sie hat kein Darmbluten mehr!« sagte Doerinck, steif auf seinem Stuhl sitzend.
»Auch das kennen wir aus der Praxis. Spontan hören die Blutungen auf – und plötzlich tritt ein Heus ein. Dann ist Holland in Not!«
»In
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