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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagt: In einem Jahr sind Sie tot! Wenn das eine wahr ist, warum soll es das andere nicht auch sein?
    »Ich habe nur noch einmal kontrolliert!« sagte Corinna und legte den Arm um Ljudmilas Schulter. »Es war nichts. Ich habe in meinen Fingerspitzen nichts mehr gespürt, keinen Widerstand, kein Stechen, kein Ziehen … Mama ist gesund!«
    »Sie wären mit einer eingehenden Untersuchung in der Universitätsklinik einverstanden, Frau Doerinck?« fragte Willbreit steif.
    »Ja. Natürlich.«
    »Mit einer Einschränkung!« Corinna hatte es nicht anders erwartet.
    »Was heißt das? Wollen Sie mir vorschreiben, wie ich untersuchen darf?«
    »Ja –«
    »Das ist unerhört!«
    »Sie können meine Mutter untersuchen, so oft und so lange Sie wollen – nur eine Biopsie lehne ich ab.«
    »Aha! Und warum? Haben Sie Angst, man könnte Ihnen kranke Gewebe vorlegen und Sie damit überführen?«
    »Nein, ich habe Angst, daß eine Biopsie den jetzt ruhigen Darm wieder aktiviert. Warum wollen es Chirurgen nicht wahrhaben, daß Probeexzisionen manchmal gefährlichere Situationen hervorrufen als das Karzinom selbst? Daß der Krebs nur noch mehr aktiviert wird?«
    »Bravo!« sagte aus dem Hintergrund Dr. Hambach. »Ich hatte in meiner Praxis zwei Prostatafälle, die erst nach der Punktion zur Diagnose wild wurden. Da war dann alles zu spät.«
    »Während Sie sich Ihre Prostatitis wegstreicheln ließen!« hakte Willbreit giftig ein. »Aber bitte, ich dränge mich nicht dazu. Jeder Mensch ist frei in der Wahl seines Arztes. Von mir aus verzichte ich auf eine Kontrolluntersuchung. Aber dann erlauben Sie mir, daß ich alles, was hier geschieht, anzweifle, und daß ich diesem Treiben mit allen Mitteln ein Ende bereiten werde. Ist das klar?«
    »Wunderbar klar!« Roemer richtete sich auf. »Das ist wie bei dem Arzt, zu dem ein Mann kommt und sagt: ›Herr Doktor, was ist das: Ich kann nicht mehr pinkeln.‹ – ›Wie alt sind Sie denn?‹ fragt der Arzt. – ›Siebenundsiebzig, Herr Doktor!‹ – ›Und da wundern Sie sich?‹ ruft der Arzt. ›Da ist ja schon alles aus Ihnen raus!‹«
    Niemand lachte. Die Situation war so niederdrückend, daß selbst Dr. Hambach, der sonst zu solchen Dingen immer seine Meinung kundtat, betroffen schwieg.
    Willbreit sah keinen Anlaß mehr, zu bleiben. Er ging zur Tür.
    »Ist es möglich, hier ein Taxi zu bekommen?« fragte er Doerinck. »Herr Roemer möchte offensichtlich bleiben. Ich auf keinen Fall!«
    »Du bleibst auch!« sagte Roemer dumpf.
    »Nein.« Willbreit sah seinen dicken Freund an. »Ich verzichte auf deinen Wagen und deine Begleitung.«
    »Aber ich nicht auf meinen Arzt, der mich seit Jahren beobachtet!« Roemer stemmte sich aus dem Sessel hoch. Der erste Schock war überwunden; der Arztwitz hatte ihm sein Gleichgewicht einigermaßen wiedergegeben. Die hundsgemeine erste Angst war fast verflogen. Jetzt baute sich statt dessen Gegenwehr auf; ein Wille, das alles nicht kampflos hinzunehmen; der Drang, dem verdammten Schicksal die Stirn zu bieten. »Ich will wissen, warum ich nicht mehr als ein Jahr zu leben habe. Hier und jetzt will ich das wissen! Und, mein Fräulein« – Roemer wandte sich an Corinna, die noch immer neben ihrer Mutter saß –, »wenn es dafür keine einleuchtende Erklärung gibt; wenn das alles nur so dahingesagt worden ist, um meinem Freund Thomas eins auf die Nuß zu geben, dann – das verspreche ich Ihnen – wird man Wege finden, Ihre gefährlichen Aktionen zu unterbinden.«
    »Das genügt!« Doerinck trat heran und baute sich vor Roemer auf. Vor dem Riesen wirkte er armselig, obwohl er nicht der Kleinste war. So, wie er vor Roemer stand, hätte man glauben können, daß Roemer nur tief Luft zu holen brauchte, und Doerinck klebte ihm als Schnurrbart unter der Nase. Doerincks Körper bebte vor Erregung. »Bitte verlassen Sie mein Haus. Sofort!«
    »Nein!« dröhnte Roemer. »Auf keinen Fall!«
    »Bei Hausfriedensbruch kann ich auch einen Landgerichtsdirektor durch die Polizei abführen lassen!«
    »Das können Sie. Aber es nützt Ihnen nichts, weil ich nämlich dann wiederkomme – wenn es sein muß, durchs Kellerfenster. Ich will wissen, was ich habe. Ich will klar wissen, warum nur noch ein Jahr! Ist das nicht mein verdammtes Recht? Da schleudert mir jemand ins Gesicht …«
    »Jedes Wort ist doch müßig, Erasmus«, sagte Willbreit an der Tür. »Komm, laß uns fahren. Ich untersuche dich morgen bei mir, und alles ist vergessen.«
    »Das wäre schlecht.« Corinna

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