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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kollegen, Freunde am Stammtisch, im Corps, im Kegelclub, im Golfclub. Im Golfclub bin ich nur zahlendes Mitglied, nachdem man mir sogar das Übungsgrün verboten hat. Ich habe dort wie ein Pferd gearbeitet, es war schauerlich. Aber sind das Freunde? Alle erwarten von mir nur die neuesten Witze. Wenn ich zu ihnen käme und ihnen sagen würde: Hört mal, ich habe nur noch ein paar Monate zu leben – dann würden sie den Atem anhalten und auf die Pointe warten, denn das kann ja nur ein neuer Witz sein. Unter Millionen Menschen bin ich nun allein. Nur Sie, Corinna, können mir zuhören – und helfen.«
    »Nein! Ich kann nicht helfen! Warum begreifen Sie das nicht?«
    »Ein langjähriges Ehepaar schläft miteinander. Plötzlich sagt der Ehemann: ›Is' was?!‹ – ›Nee, wieso?‹ fragt die Frau zurück. – ›Du hast dich bewegt …‹.« Roemer grinste schief. »Ich wollte damit nur sagen: Es gibt immer wieder Überraschungen.« Er stieß sich von der Wand ab und wischte sich wieder mit seinem überdimensionalen Taschentuch über das Gesicht. »Darf ich wiederkommen?«
    »Ich habe es schon gesagt: Meine Tür ist immer offen.«
    »Sie sind meine ganze Hoffnung, Corinna. Es mag dramatisch und übertrieben klingen, ja kitschig, aber es ist so: Ich klammere mich an Sie.«
    Sie griff nach der Wolle, zog einen Faden durch das Kettgewebe und verknotete ihn. »Sie tun mir leid«, sagte sie leise, »aber das hilft Ihnen nichts. Kommen Sie gut nach Hause.«
    Dr. Roemer nickte, verließ mit zögerndem Schritt die Scheune und stieg draußen in seinen Miet-Ford. Dort blieb er eine Weile sitzen, eingeklemmt zwischen Rückenlehne und Lenkrad, denn auch die weiteste Rückwärtsstellung des Sitzes gab keinen Platz für seine Fülle her, und überlegte, was er noch tun konnte. Das einzige, was ihm einfiel, war ein Verzweiflungsakt, ein Aufbäumen gegen sein Schicksal, ein Gegenangriff, auch wenn er ihn verlor. Er fuhr auf der Autobahn um Münster herum zum Hiltruper See und parkte vor einem Haus, in dem man ihn, wenn man ihn suchte, im Zweifelsfalle immer finden konnte: im Waldhotel Krautkrämer.
    Ächzend und steif von dem ungewohnten eingeklemmten Sitzen stieg er aus, streckte sich und wartete darauf, ob sich in ihm irgend etwas regte, ja, er lauschte gewissermaßen nach innen – aber da war alles so wie bisher. Nichts deutete darauf hin, daß er ein todkranker Mensch war. Ein wahnwitziger Gedanke stieg in ihm hoch. War es nicht denkbar, daß sich auch die moderne Medizin irren konnte? Trotz Röntgen, Szintigraphie, Sonographie und Angiographie? Trotz komplizierter Blutanalysen? Waren Irrtümer undenkbar?
    Im Foyer des Hotels begrüßte Krautkrämer senior seinen Stammgast und brachte ihn selbst zu dem Tisch am Fenster, der – wenn er frei war – für Roemer bereit stand.
    »Gehen wir in die vollen, mein Lieber!« sagte Roemer, kaum, daß er saß. »Die Zusammenstellung überlasse ich ganz Ihnen. Aber fangen wir gleich an mit einem Batard Montrachet der Domaine Prieur-Brunet, und dann, beim Braten, mag ein Musigny der Domaine Armand Rousseau heranfliegen!«
    »Ist irgend etwas zu feiern, Herr Dr. Roemer?« fragte Krautkrämer senior. »Darf man irgendwie gratulieren?«
    »Sie dürfen!« Roemer lehnte sich in dem Holzsessel weit zurück. Wie immer ächzte das Möbel in allen Fugen. »Ich kenne die Zeit meines Todes!«
    Verwirrt verließ Krautkrämer senior seinen hohen Gast und schüttelte erst außer Sichtweite den Kopf.
    *
    Willbreits Taktik, die angemaßten Wunderkräfte der Corinna Doerinck einfach totzuschweigen, erwies sich als Fehlschlag. Weder Roemer erzählte von den angeblichen Heilungen, noch Dr. Hambach – und Willbreit schon gar nicht. Nein von einer völlig anderen Seite verbreitete sich die Kunde, daß in Hellenbrand eine Teppichkünstlerin mit ihren Händen Krankheiten ›wegstreicheln‹ könne.
    Es geschah während eines Teenachmittags bei Frau Huiskens, der Frau des Fabrikanten Peterpaul Huiskens – Peterpaul in einem Wort, darauf legte er großen Wert! Er stellte in allen Größen und Formen elektrische Schalter her unter dem Markennamen ›Humüwest‹. Das war die Abkürzung für Huiskens, Münster, Westfalen. Humüwest-Schalter wurden in alle Welt exportiert. Sowohl in Auckland als auch auf Neuseeland wie auf Barbados drehte man mit Humüwest-Schaltern das Licht an. Darauf war Peterpaul sehr stolz. Und die Teenachmittage seiner Frau Hilda waren in der Münsteraner Gesellschaft berühmt: Nirgendwo erfuhr

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