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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man so viele Neuigkeiten ›aus dem Hintergrund‹ wie bei ihr. Es gab eigentlich nichts, was ihr verborgen blieb an heimlichen Skandalen und an Abenteuern hinter den verschlossenen Türen. Ein Teenachmittag bei Huiskens war für alle, die teilnehmen durften, ein aufregendes, fast erotisches Ereignis.
    Diesmal erzählte Hilda Huiskens ihren Freundinnen – alle Teilnehmerinnen waren Freundinnen, solange sie hier beim Tee zusammensaßen – unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß eine junge Frau, die Teppiche knüpfte, sie von ihrer Akne befreit habe.
    Man kann Hilda Huiskens verstehen, daß sie voll des Lobes war. Das ganze Geld ihres Mannes Peterpaul hatte es nicht vermocht, ihr diese verdammte Akne, diese Hautpickelkrankheit, wegzunehmen. Zu den besten Dermatologen war sie gefahren, nach München, Mailand und Paris, nach Miami und Los Angeles; pfundweise hatte sie Salben auf ihr Gesicht geschmiert, Dragees geschluckt, hatte sich das Gesicht abschleifen lassen, hatte echt gelitten – alles vergebens. Immer wieder mußte sie die Akne mit Make-up überdecken. Doch jetzt auf einmal war ihre Haut rein und geradezu jungfräulich, makellos und glatt. Sie führte es der Teegesellschaft in Natur vor, also ohne Schminke. Alle freuten sich, obgleich sie jetzt der inneren Schadenfreude beraubt waren und schon bald begannen, auf diesen zarten Teint von Hilda neidisch zu werden.
    »Und wißt ihr, wie diese Corinna das gemacht hat?« berichtete Hilda Huiskens aus übervollem Herzen. »Sie hat mir sechsmal über das Gesicht gestrichen. Mit den bloßen Händen. Nein, nicht direkt drüber … in einem Abstand von ein paar Zentimetern. Ich spürte ein warmes Kribbeln auf der Haut, das war alles. Seht euch das an! Es ist alles weg!«
    Es war zu erwarten, daß die guten Freundinnen so etwas nicht einfach hinnahmen. Irgendwelche Leiden hatte jede von ihnen; mit den Jahren stellt sich eben so allerhand ein, und ab fünfzig, das ist eine alte Weisheit, fängt es da und dort zu klappern an. Die meisten Beschwerden gingen auf die Nerven zurück und auf den Gelenkverschleiß. Auch wenn man jedes Jahr zur Kur fuhr, mußte man mit Ischias, Arthritis und Neuralgie weiterleben. Das Wundermittel, mit denen die Ärzte solche Gebrechen zumeist angingen, hieß Cortison. Aber nachdem drei Teilnehmerinnen der Teerunde nach einer Cortisonbehandlung durchschnittlich vierzehn Pfund zugenommen hatten und in die Breite gegangen waren – hinterher halfen selbst wochenlange Diätkuren in Bad Wiessee nichts mehr –, gerieten die Damen zunehmend in Panik, ihre Leiden wurden zum niederdrückenden Diskussionsthema.
    Die Nachricht, daß in Hellenbrand, nicht weit von Münster also, jemand Krankheiten wegstreicheln konnte, war daher alarmierend. Daß man unter Umständen, wie Hilda Huiskens, einen Teppich kaufen mußte, erschien unwichtig. Über Geld sprachen sie nicht. Und einen handgeknüpften Teppich, auch wenn er modern war und kein Perser, konnte man immer gebrauchen. Vielleicht im Mädchenzimmer oder Gästezimmer.
    Schon achtundvierzig Stunden nach dem Teenachmittag fuhren zwei Freundinnen von Hilda Huiskens heimlich nach Hellenbrand. Im Ort fragten sie nach der Teppichknüpferei und bekamen freundlich den Weg dorthin beschrieben. In Hellenbrand kannte jeder die Tochter des Konrektors Doerinck und ihre kunstvollen, modernen Teppiche.
    »Wir sind uns also darüber im klaren, Luise«, sagte die Frau des Rechtsanwaltes Dr. Benke, Fachanwalt für Steuersachen, »daß wir offiziell nichts weiter wollen als uns einen Teppich anzusehen. Das Weitere warten wir ab.«
    »Aber ja.« Luise Herbrandt, Gattin des pharmazeutischen Fabrikanten Eduard Herbrandt, nickte verschwörerisch. Herbrandts großer Medikamentenschlager war das Präparat mit dem an sich nichtssagenden Namen ›85 Y‹. Aber es hatte es in sich! Das ›Y‹ stand für das Aphrodisiakum Yohimbin, ein aus der Rinde des westafrikanischen Yohimbinbaumes Pausinystalia yohimba gewonnenes Alkaloid, das in der Medizin wegen der gefäßerweiternden Wirkung verwendet wird. In dieser Eigenschaft soll es aber auch die sexuelle Potenz verstärken. Dr. Roemer hätte dafür sicherlich wieder einen Spruch bereit gehabt: Mit Yohimbin zur rechten Zeit, bist allezeit du kampfbereit. – Die 85 in dem Präparatnamen ›85 Y‹ sollte andeuten: Selbst mit 85 bist du noch vital. Das unterstrich auch die Verpackung: Da sprang – wie fröhlich! – ein rüstiger Greis noch mit dem Seilchen. Für dieses Foto hatte man

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