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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Roemer selbst. »Wenigstens beim Scheißen soll man Freude haben!« sagte er.
    Noch einmal versuchte es Willbreit mit Rufen. Er legte die Hände wieder als Trichter vor den Mund und brüllte in die weite, hohe Halle hinein: »Erasmus! Erasmus!« Ihm antwortete nur ein halbes Echo, das aus der linken Seite der Halle zurücktönte.
    »Wenn ich einmal schlafe«, erinnerte sich Willbreit an Roemers Worte, »dann können Vulkane ausbrechen – ich höre nichts.«
    Da kein Alarm ausgelöst wurde, wenigstens kein hör- oder sichtbarer, rannte Willbreit die große Freitreppe in der Halle hinauf und riß eine Tür auf, die nach seiner Ansicht zu einem der Gartenzimmer gehörte. Es war jedoch Elises Schlafzimmer, in weißem und goldenem Rokoko, mit rosa Tüll und rosa Bettwäsche, ein grandioses Puppenzimmer, bei dessen Anblick Roemer wohl jedesmal in tiefes Seufzen verfiel. Es paßte zu Elise und ihrer Welt: Schweben in allen Himmeln. Nur Roemer mußte darin wie ein riesiger Klotz wirken. Aber was soll's: Er war Dr. jur. und Landgerichtsdirektor. Elises Vater hatte das für einen guten Ausgleich gehalten: Hier Titel und Ehre – dort unbeschränktes Geld und Luxus. Beides nun zusammen – was will man mehr?
    Willbreit lief weiter. Die nächste Tür: ein Boudoir im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Schönheitssalon mit großen Spiegeln, Schminktisch, Perückenständern, Frisierhaube, Bestrahlungsapparaten. Aber die nächste Tür …
    Sie war es. Schon der Duft, der Willbreit entgegenkam, bestätigte es: es roch intensiv nach Alkohol. Roemer lag wie aufgebahrt in seinem spezialangefertigten Bett, ein normales Bett wäre erstens zu schmal, zweitens zu kurz und drittens in den Fugen zu anfällig gewesen. Die Nachttischlampe brannte noch und beschien mit mildem Licht die Szene. Neben Roemer, auf dem Seidengoum-Teppich, standen zwei Flaschen Rotwein. Natürlich leer. Roemer schnarchte leise mit halb offenem Mund; den Atem zog er pfeifend ein und stieß ihn ratternd aus. Es klang, als käme eine verrostete alte Lokomotive in Gang.
    Willbreit setzte sich auf die Bettkante, betrachtete seinen Freund eine Weile und sagte sich wie jeder, dem Roemer begegnete: eigentlich undenkbar, daß dieser äußerlich vor Gesundheit strotzende Fleischberg schon verloren sein soll. Auf keinen Fall schien Roemer in tiefster Not angerufen zu haben, denn die Schmerzen, an die Willbreit gedacht hatte, würden sich mit Rotwein nicht betäuben lassen.
    »Erasmus!« sagte Willbreit laut und beugte sich über Roemer. »Kerl, laß das Sägen und wach auf!« Aber wenn Roemer schlief, dann … Willbreit faßte ihn an den Schultern, schüttelte ihn und gab ihm schließlich, als Roemer nur undeutlich blinzelte, eine schallende Ohrfeige. Das machte ihn halbwegs munter. Er setzte sich, starrte Willbreit entgeistert an und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
    »Du?« röhrte er. »Bin ich schon in der Hölle?«
    »Noch nicht. Was ist los, Erasmus?«
    Roemer war jetzt vollends wach und sah verblüfft um sich. »Wie bist du denn reingekommen? Ist Magda schon wieder da?« Magda war das Hausmädchen mit dem Freund in Amelsbüren.
    »Ich bin eingebrochen. Durchs Fenster der Anrichte. Die Scheibe bezahle ich natürlich.«
    Roemer blickte verzückt auf die elektrische Digitaluhr, die auf dem Nachttisch stand.
    »Dann kommt ja gleich die Polizei! Selbstverständlich lasse ich dich verhaften. Den Burschen habe ich nie gesehen, werde ich sagen. Auch wenn sie dich später freilassen – zunächst kommst du mit! Wird das eine Freude!«
    »Du hast bei mir angerufen«, sagte Willbreit unbeeindruckt.
    »Ja. Deine Lydia war am Hörer. Hatte Besuch der stammtischgeschädigten Damen. Muß das ein Hühnerhof gewesen sein!«
    »Was wolltest du von mir?«
    »Nichts.«
    »Wegen nichts ruft man nicht um zweiundzwanzig Uhr an.«
    »Ich doch.« Roemer leckte wieder über seine trockenen Lippen. »Himmel, hab' ich einen Durst. Sei ein lieber Freund, Thomas, und hol was aus der Küche.«
    »Mineralwasser?«
    »Bin ich pervers? Im Kühlschrank steht Bier.«
    »Es gibt keinen Alkohol mehr.«
    »Eine Frage: Bist du als Freund eingebrochen oder als lästiger Arzt?« Er blickte wieder auf die Uhr. »Wo bleibt nur die Polizei?!«
    »Wenn der Alarm nicht angestellt ist, kann kein Alarm ausgelöst werden.«
    Roemer blickte überrascht auf die Kontrollampe in der Zimmerecke und sah erst jetzt, daß das kleine rote Lämpchen, das die Einschaltung der Alarmanlage signalisierte, nicht

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