Die Strandhochzeit
seitdem kaum von der Seite gewichen. Holly rieb sich frierend die Arme.
Paula bemerkte es und erklärte schuldbewusst: „Ich werde Ihnen ein warmes Schultertuch holen. Das Kleid ist wirklich nicht für eine mitternächtliche Hochzeit geeignet." Sie ging hinein.
Holly rang sich ein Lächeln ab. In gewisser Weise war es tatsächlich Paulas Schuld, dass sie fror. Denn ohne die Hochzeitsberaterin von Sugar Island würde sie jetzt nicht ein schulterfreies, knöchellanges Kleid aus cremefarbenem Stoff, sondern wie ge wohnt Jeans und ein T-Shirt tragen.
Eine leichte Brise trug den salzigen Geruch des Meeres herauf. Zuckerrohr und Palmwedel bewegten sich sanft im Wind. Die Luft war erfüllt vom Zirpen der Zikaden, und aus einiger Entfernung hörte man das Kauschen der Wellen, die an den Strand schlugen.
Holly umklammerte das Holzgeländer der Terrasse so krampfhaft, dass der neue Diamantring ihr förmlich in die Haut schnitt. Am ersten Tag hatte sie ihn abgenommen.
Sie war es nicht ge wohnt, so wertvollen Schmuck zu tragen, und ha tte Angst gehabt, ihn zu verlieren. Doch Jack beharrte darauf, dass sie ihn trug. Er nahm den Ring wieder aus dem mit Samt ausgeschlagenen Kästchen und streckte die Hand aus. Sie legte die Hände unter dem Tisch in ihren Schoß wie ein trotziges Kind. „Ich stehe schon viel zu tief in deiner Schuld."
„Es ist kein Geschenk, sondern sozusagen Teil unserer Tarnung", sagte Jack kurz angebunden. „Wenn du willst, dass man unsere Geschichte glaubt, musst du deine Rolle richtig spielen." Er legte den Ring zurück ins Kästchen, klappte es zu und stellte es auf den Tisch.
„Es ist deine Entscheidung." Seine Stimme hatte sehr sanft geklungen.
Und sie hatte beschlossen, den Ring zu tragen - nicht weil es notwendig war, um den Schein zu wahren. Sondern weil sie es wollte. Diese Erkenntnis erschreckte Holly. Sie befürchtete, dass sie gegen eine der Regeln verstieß, die ihre Mutter ihr vermittelt hatte:
„Lass niemals einen Mann zu viel Macht über dich erlangen, sonst wird er dir das Herz brechen."
Aber wenn man jemanden nicht liebt, kann er einem auch nicht das Herz brechen. Und zum Glück liebe ich Jack Armour nicht.
Paula kam auf die Terrasse. In einer Hand hielt sie ein Schultertuch, in der anderen ein klingelndes Handy. Sie reichte ihr das
bunte Tuch mit den Fransen und nahm den Anruf entgegen.
„Hallo, bist du es, Paul?"
Holly legte sich den weichen Stoff um die Schultern, doch er schien sie nicht zu wärmen. Paula war in das Telefongespräch vertieft und hörte mit gerunzelte Stirn dem Anrufer zu. Ungeduldig sagte sie jetzt: „Dann haltet Ihr eben den Flughafen geöffnet, bis er ankommt." Offenbar widersprach der Mann am anderen Ende der Leitung, aber Paula ließ keine Einwände gelten. „Erinnere ihn einfach daran, was Jack Armour nach dem Hurrikan für uns getan hat." Sie schenkte ihr ein schalkhaftes Lächeln.
Es folgte ein kurzes Schweigen. Holly wusste selbst nicht, warum sie den Atem anhielt.
„Du meine Güte, der Mann möchte heute Abend heiraten! Willst du der Braut etwa das Herz brechen?"
Bei dem Wort „Braut" zuckte Holly zusammen.
Paula deutete ihre Reaktion falsch. „Seine zukünftige Frau ist schon ganz aufgelöst", teilte sie ihrem Gesprächspartner mit. „Entweder sorgst du dafür, dass Jack rechtzeitig ankommt, oder ich werde allen erzählen, wer daran Schuld hatte, dass die Trauung abgesagt werden rnusste." Sie klappte das Telefon zusammen und blickte Holly aufmerksam an. „Ist etwas nicht in Ordnung?"
Holly schüttelte den Kopf, so dass die langen Locken ihr über die Schultern strichen.
Auch das war Paulas Überredungsküns ten zuzuschreiben. „Honey, Sie können unmöglich mit einem ge flochtenen Zopf zu Ihrer eigenen Hochzeit gehen", hatte sie ge sagt. Also wusch und bürstete Holly sich das goldbraune Haar, bis es ihr seidenweich über die Schultern fiel. Paula war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Als Holly in den Spiegel geblickt hatte, war sie erschrocken gewesen. Noch nie hatte sie so hübsch ausge sehen und so weiblich.
„Jack wird rechtzeitig ankommen", versuchte Paula, sie jetzt zu beruhigen. „Er gibt auch in schwierigen Situationen nicht auf - und er hält seine Versprechen immer."
„Sie ... sie müssen ihn sehr gut kennen", brachte Holly hervor.
Paula glaubte, sie wäre eifersüchtig. „Keine Angst, ich bin eine anständige Frau. Ich liebe diesen Mann wie meinen Bruder, das ist alles."
„Mir ist kalt." Holly wandte sich
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