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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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Hang unterhalb des ehemaligen Dampfkessels lag eine Reihe von Röhren, die auch aus der Hediondo-Fabrik stammten und dort ausrangiert worden waren. Als nun im Herbst 1937 der große Fischfang einsetzte und die Fischkonservenfabriken mit Hochdruck arbeiteten, entstand Wohnungsnot in der ganzen Gegend. Da begann Mr. Malloy die größeren Röhren preiswert als Schlafstellen zu vermieten, und nachdem er die hintere Öffnung mit Dachpappe verschlossen und über die vordere ein altes Stück Teppich gehängt hatte, glaubte er allen berechtigten Ansprüchen auf Komfort Genüge geleistet zu haben. Die Beine konnte einer beim Schlafen natürlich nicht an den Leib ziehen; so etwas mußte sich der Betreffende eben abgewöhnen. Einzelne reklamierten auch, daß in den Röhren das Echo so stark sei, daß sie von ihrem eigenen Schnarchen geweckt würden. Aber im ganzen hatte Mr. Malloy ein ständiges kleines Einkommen und war zufrieden.
Mrs. Malloys Zufriedenheit aber endete mit dem Tage, als ihr Gemahl sich zum Range eines Haus-, besser gesagt, Röhrenbesitzers emporgearbeitet hatte. Erst war es ein Teppich, dann eine Waschbütte, dann eine Lampe mit farbigem Schirm, die sie begehrte, und eines Tages kam sie atemlos auf Händen und Knien in den Kessel und stieß hervor: »Bei Holman ist Ausverkauf für Vorhänge, echte Spitzenvorhänge, blau-rosa gestreift, die Garnitur einschließlich Vorhangstangen nur einsachtundneunzig!«
»Was willst du denn damit um Himmels willen?« rief Malloy, bestürzt von seiner Matratze emporfahrend.
»Ich habe gern hübsche Sachen; ich habe mir schon immer so etwas gewünscht, für dich!« Ihre Unterlippe begann zu zittern.
»Schatz, ich habe gar nichts gegen Vorhänge, nur -«
»Nur ein Dollar achtundneunzig...« Nun zitterte auch ihre Stimme. »Mißgönnst du mir etwas zu einsachtundneunzig?« Ihr Busen wogte, sie heulte los.
»Ich mißgönne dir nie etwas«, versicherte Malloy, »aber was sollen wir bloß mit Vorhängen anfangen, Schatz? Wir haben doch keine Fenster!«
Mrs. Malloy weinte und weinte, und Sam hielt sie in den Armen und tröstete sie, und sie schluchzte: »Dir fehlt jedes Verständnis für mich, ein Mann kann sich nie in die Seele einer Frau hineindenken!«
Und Sam lag neben ihr und streichelte ihr den Rücken, bis sie einschlief.

9. Kapitel
    Verstohlen beobachteten Mack und die Jungens, wie Doc mit seinem Wagen vor dem Laboratorium hielt und Hazel ihm die Säcke mit Seesternen hinauftragen half. Bald darauf stampfte und dampfte Hazel den Hühnersteig zum Palace Hotel und Grillroom empor. Seine Hosen waren bis zu den Oberschenkeln von Seewasser durchtränkt. Dort, wo sie trockneten, setzten sich weiße Salzringe ab.
Oben angelangt, sank er schwer in den Schaukelstuhl, der sein Privateigentum war, und streifte die nassen Tennisschuhe ab.
Fragte Mack: »Wie ist Doc gelaunt?«
»Gut«, antwortete Hazel, »man versteht kein Wort von dem, was er sagt. Weißt du, was er über die Stinkkäfer gesagt hat? Nein, ich sag's lieber nicht.«
»Also, er ist nicht schlecht aufgelegt?« vergewisserte sich Mack abermals, und Hazel bestätigte es nochmals: »Wo wir doch dreihundert Seesterne gefangen haben!«
»Ob wir alle zusammen hinübergehen?« fragte Mack und gab sogleich die Antwort: »Nein, besser geht einer allein; wenn wir alle zusammen ankommen, erschrickt er am Ende.«
»Worum handelt es sich?« wünschte Hazel zu wissen.
»Wir haben einen Plan«, verriet Mack. »Ich werde allein hingehen, damit er nicht kopfscheu wird. Ihr bleibt und wartet auf mich; ich bin gleich wieder da.«
Mit diesen Worten entfernte er sich eilends, sprang den Hühnersteig hinunter und quer über den leeren Platz, wo Mr. Malloy vor seinem Wohnkessel saß. »Wie steht's, Sam?« fragte er im Vorübergehen.
»Es geht so.«
»Und der Frau?«
»Danke! Weißt du zufällig irgendeine Art Nagel oder Haken, mit dem man Stoff an eine gewölbte Eisenwand hängen kann?«
Für gewöhnlich hätte sich Mack in dieses Problem gründlich hineingekniet, jetzt aber wollte er sich nicht ablenken lassen und sagte daher nur kurz: »Nein«, sprang über die Straße und betrat das Erdgeschoß des Western Laboratory.
Doc hatte seinen Wetterhut abgenommen, da keine Gefahr mehr bestand, daß ihm der Kopf naß werden könne, es sei denn durch einen Wasserrohrbruch. Er war eben dabei, die Seesterne aus den nassen Säcken zu leeren und auf dem kühlen Zementboden auszubreiten. Die Seesterne aber hatten sich ineinander verschlungen, denn sie lieben

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