Die Straße des Bösen
tanzten vor seinen Augen. Doch er sah noch die Lücke zwischen dem Drachen und der Felswand zur Linken.
Er ritt hindurch, bevor der schwere Körper des Ungeheuers sich gegen die Wand werfen konnte, um ihn zu zermalmen.
Drei, vier Atemzüge lang standen sie sich gegenüber. Mythor blickte in rote Augen, die jene Glut zu versprühen schienen, aus der das Untier ans Licht der Welt gestiegen war. Die blutenden Pranken waren weit in die Höhe gereckt, das eine Bein des Drachen völlig eingeknickt. Kopf und Brust des Gegners waren viel zu hoch, als dass Mythor sie mit dem Schwert hätte erreichen können, und keine Lanze wäre imstande gewesen, die Panzerhaut über dem Herzen zu durchdringen.
Mythor sah nur eine Chance für sich.
Noch einmal holte er tief Luft. Dann, als der Drache angriff, preschte er an ihm vorbei. Er flüsterte etwas in Pandors Ohr, und das Einhorn schien durch die Luft zu fliegen, als es den klaffenden Krater übersprang.
Der Drache fuhr kreischend herum. Mythor durfte nicht daran denken, dass der peitschende Schwanz Gapolo treffen und zerschmettern könnte.
»Komm doch!« schrie Mythor. »Komm her, du Scheusal! Hier bin ich!«
Er winkte mit den Armen, jetzt gute zwanzig Schritt hinter dem Krater. Noch schien das Untier unschlüssig, doch blinder Zorn und verheerender Schmerz lähmten seinen Instinkt und ließen es trotz des unbrauchbar gewordenen Beines auf Mythor zutaumeln. Mythor beugte sich von Pandors Rücken hinab, hob einen schweren Stein auf und schleuderte ihn gegen den Schädel des Ungeheuers. Es bäumte sich ein letztes Mal auf, warf sich nach vorne und stürzte, von seinem ganzen Gewicht gezogen, in den Krater. Mythor empfand wilden Triumph und ritt schnell weiter zurück, als wiederum flüssige Glut in die Höhe spritzte und als schnell erkaltender Feuerregen rings um den Krater niederging.
Aufplatzende Blasen und ein gurgelndes Geräusch waren alles, was von dem Drachen blieb, der nicht mehr die Kraft hatte, sich noch einmal aus der Tiefe zu erheben.
Erschöpft und wie gelähmt von den eingeatmeten Dämpfen, ließ Mythor sich mit dem Oberkörper auf Pandors Hals fallen.
Das Einhorn drehte sich. Schwer atmend und schweißüberströmt sah Mythor, wie Lamir, Buruna und Gapolo, der wieder auf seinem Pferd saß, dicht an der Felswand vorbeireitend, den Krater hinter sich brachten. Sie machten nicht halt, als sie Mythor erreichten, und Gapolos Blick war nur schwer zu deuten. Pandor setzte sich in Bewegung und trug seinen Herrn.
Weit hinten in der Schlucht erscholl das Kriegsgeschrei der Caer. Mythor hielt sich an Pandors Mähne fest, als die Freunde in scharfem Galopp weiterritten. Buruna ritt dicht neben ihm und fand keine Worte, aber ihre Blicke sagten alles. Da war eine Mischung aus Stolz, Angst und Schrecken in ihnen, vor allem aber ungeheure Erleichterung.
Es gab jedoch keinen Grund zur Erleichterung.
Die Freunde kamen nicht weit. Die Schlucht erweiterte sich nur wenig, und mächtige Felsblöcke türmten sich an den Wänden oder versperrten den Weg.
Sie konnten leicht umritten werden, nicht aber der Feuersee, der plötzlich vor den Freunden auftauchte und das Ende der Schlucht und ihres Weges bildete. Auf der ganzen Breite der Schlucht hatte sich die Erde aufgetan, und Dämpfe und Magma, das in hohen Fontänen gen Himmel gespien wurde, ließen kein Ende des Feuersees erkennen.
»Das ist das Ende«, flüsterte Buruna.
Mythor aber bäumte sich auf. Irgend etwas erwachte in ihm, das Gefühl, dass hier nicht alles zu Ende sein konnte, dass all das, was sie hinter sich gebracht hatten, nicht umsonst gewesen sein durfte, dass er jetzt nicht aufgeben würde.
Noch waren die Caer nicht in Sichtweite. Der Krater hatte wieder Lava zu speien begonnen und hielt sie auf.
»Die Felsen dort!« brachte der Sohn des Kometen unter stechenden Schmerzen in der Lunge hervor. »Wir müssen, uns hinter ihnen verstecken. Vielleicht.« Die Kraft verließ ihn erneut.
Gapolo schrie: »Dann versteckt euch! Die Lilie wird dem Bösen Einhalt gebieten!«
Er wendete sein Pferd, und als ob er von Dämonen getrieben wäre, ritt er den Caer entgegen.
Mythor hatte nicht einmal mehr den Atem, ihn zu verfluchen. Er hatte keinen Halt mehr und rutschte seitwärts von Pandor. Buruna war plötzlich da und fing ihn auf. Sie stützte ihn und führte ihn zu den Felsen am Rand der Schlucht.
Auch Lamir fiel mehr vom Pferd, als dass er absaß. Die vom Feuersee kommende Hitze war kaum zu ertragen. Doch das war nicht
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