Die Strasse des Horus
wie immer in der Nähe.
»Ich wäre nicht überrascht, wenn sie Blumen auf uns herabregnen ließen, Majestät.«
»Blumen wohl nicht gerade. Das Stimmengewirr hat unterschwellig etwas Überhebliches«, meinte Ahmose. »Sie wissen, dass sie unangreifbar sind. Warten wir ab, vielleicht können wir sie ein wenig in ihrer Überzeugung erschüttern.« Chabechnet näherte sich, und Ahmose sagte zu ihm: »Du kommst mit und rufst vor jedem Tor diese Botschaft aus. ›An den Befehlshaber der Festung Scharuhen Grüße von Uatsch-Cheperu Ahmose, Sohn der Sonne, Goldhorus, Der von der Binse und Der von der Biene. Ich, König von Ägypten, schwöre beim göttlichen Amun, dass ich die Bewohner deiner Stadt verschone, wenn ihr mir den Setiu Apophis mit seiner gesamten Familie, zusammen mit dem Horusthron und den Königlichen Insignien, ausliefert, die er so hinterlistig an sich gebracht hat. Falls du dich weigerst, springt jeder Mann, jede Frau und jedes Kind über die Klinge. Du hast bis morgen Zeit für eine Antwort.‹ Wiederhole das, Chabechnet. Wir beginnen am Südtor, das ist das nächstgelegene.«
Er hatte dafür gesorgt, dass Hekayib ihn so prächtig wie möglich kleidete: golddurchwirkter Schurz, der im Sonnenschein funkeln würde, und gestärktes Kopftuch in Blauweiß, auch das goldglitzernd. Das gewaltige Pektoral, das Kamose in Auftrag gegeben und das Ahmose geerbt hatte, bedeckte seine Brust, blitzte von Türkis und Jaspis und dem heiligen Lapislazuli. Goldene Anchs baumelten in seinen Ohrläppchen. Ringe mit Mondstein und Karneol steckten an seinen hennaroten Fingern, und in Gold gefasste Skarabäen aus Lapislazuli zierten Handgelenke und Arme. Er bestieg den Streitwagen, Chabechnet stellte sich neben ihn, Anchmahor hielt hinter ihm die Fahne hoch, und auf Ahmoses Befehl hin ruckte Mesehti an den Zügeln.
Lange brauchten sie nicht für die Meile aus Sand und Stein zwischen seinem Lager und der Festung. Überall waren Soldaten, die zu tun hatten, innehielten und der sonnenglänzenden Gestalt huldigten, die funkelnd vorbeifuhr, eine Hand zum Gruß erhoben, während das Symbol ihrer Befehlsgewalt hörbar über ihr knatterte. Ahmose reagierte zerstreut auf ihre Ehrerbietung. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die mächtigen Steinmauern gerichtet, die immer näher kamen und allmählich über ihm dräuten.
Die bunt gemischte Menge auf der Mauer stieß einhellig einen Schrei aus, als sie ihn kommen sah. Der verstummte auch nicht, als Mesehti das Fahrzeug vor dem hohen Tor zum Stehen brachte. Ahmose wartete und blickte gelassen nach oben. Allmählich senkte sich erwartungsvolles Schweigen auf die Menschen. Chabechnet holte tief Luft. »An den Befehlshaber der Festung Scharuhen Grüße von Uatsch-Cheperu, Sohn der Sonne«, begann er, und seine geschulte Heroldsstimme hallte klar und kräftig durch die reine Morgenluft. Kein Laut von oben störte den Rest der Aufforderung, doch als die Zuhörer merkten, dass er geendet hatte, erhob sich ein Chor aus höhnischem Gelächter und Schmähungen.
»Geh nach Haus, Nildreck!«
»Sterbt an Langeweile, ihr Wüstenratten!«
»Baal-Reschep hasst euch, ihr Mörder!«
Auf ein knappes Wort von Ahmose hin setzte Mesehti den Streitwagen in Gang und lenkte ihn an der langen Biegung entlang, die sie zum mehrere Meilen entfernten Osttor führen würde. »Wilde, Ungeziefer!«, knurrte Chabechnet. »Hoffentlich haben unsere Soldaten ihre höhnischen Bemerkungen gehört. Dann tun sie sich leichter, ein paar Kehlen durchzuschneiden, wenn wir endlich diese verfluchten Befestigungen stürmen.« Ein derartiger Ausbruch passte gar nicht zu dem Obersten Herold. Ahmose pflichtete ihm bei.
Es war Mittag, als sie beim vierten Tor vorfuhren, nachdem sie sich am östlichen und nördlichen Tor die gleichen Schmähungen und Spottreden hatten anhören müssen. Die Getreuen, die neben dem Streitwagen hergelaufen waren, keuchten und schwitzten. Ahmose selbst war auch durchgeschwitzt und müde, und Chabechnet machte verstohlen Sprechübungen, ehe er aufblickte, die Schultern reckte und die letzte Aufforderung erschallen ließ. Hinter dem Streitwagen erstreckte sich hell und leer die Straße zum Meer.
Ahmose blinzelte in die gleißende Sonne und sah, dass die Mauerkrone hier menschenleer war, abgesehen von drei Männern, die sich vor dem strahlenden Himmel abhoben und ungerührt lauschten. Sie hatten Bärte und Hakennasen, um die Köpfe hatten sie sich Stoffbänder mit Stickereien und Troddeln geschlungen,
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