Die Strasse des Horus
hatte. Am folgenden Tag wandte sich der Weg nach Norden, zog sich durch eine riesige Ödnis gewellter Dünen, deren Kuppen unter dem ständigen Wind zu leiden hatten. Drei Tage lang stapften die Soldaten mit gesenktem Kopf dahin. Am zweiten Tag bemerkte Ahmose grimmig zu Mesehti, nun könne er verstehen, warum die Setius vor vielen Hentis so schrecklich gern ihre Herden in der üppigen Fruchtbarkeit des Deltas hätten weiden wollen. »Deine Vorfahren haben aus Mitleid und Großmut einen Fehler gemacht, als sie sie eingelassen haben«, lautete die knappe Antwort des Fürsten. »Eine solche Entscheidung ist Maat, war aber eine Katastrophe für Ägypten.« Ahmose gab ihm schweigend Recht.
Nachts legte sich der Wind ein wenig, doch dann fiel die Kälte auf die Soldaten herab, störte sie beim Schlafen und säumte ihre Decken mit Reif. Falls wir hier von Sommer bis Winter und einen weiteren Frühling bleiben, muss ich für die Männer wärmere Kleidung beschaffen, bemerkte Ahmose, während er fröstelnd neben dem heruntergebrannten Feuer lag, das Mesehti abends für ihn angelegt hatte. Vielleicht wollene Tuniken mit Ärmeln. Ganz gewiss mehr Decken. O Amun, bist du bei mir an diesem verfluchten Ort, der so weit fort ist von deinem Tempel, wo Amunmose dein Hoher Priester und Aahmes-nofretari dein Zweiter Prophet ist? Er hatte beten wollen, doch vor seinem geistigen Auge sah er das Gesicht seiner Frau, und da erstarb alles Lob und Flehen. Er überließ sich einem unruhigen Schlummer.
Kurz nach Mittag des folgenden Tages, ihr achter seit dem Aufbruch aus Auaris, sichteten sie Scharuhen. Fünf Meilen entfernt ragte es aus der steinübersäten Wüste empor, als gehörte es zu den Bergen im Osten, ein abgeschlagener, geglätteter und von Riesenhand in die Erde gerammter Felsbrocken. Die Festung strahlte etwas Dauerhaftes und Uneinnehmbares aus und war Furcht einflößend. Sie näherten sich vorsichtig, freuten sich, dass sie die Dünen hinter sich gelassen hatten, und sahen, wie sie im schimmernden Nachmittagslicht immer gewaltiger vor ihnen hochragte.
Ahmose ließ gerade außer Reichweite der Bogenschützen auf den Mauern halten und verteilte auf der Stelle seine Divisionen, vier, die die Festung umzingelten, und eine, die diese wiederum umringte und vor Angriffen schützte.
Ahmose ließ sein Zelt dicht neben Turis aufstellen. Wohin er auch schaute, überall schossen die kleinen Zelte seiner Männer wie weiße Pilze aus dem steinigen Boden. Streitwagen ratterten hin und her, Hauptleute brüllten, Karren voller Nahrung und Vorräte wurden entladen, doch diese Geräusche wurden von dem jähen wilden Lärm auf der Stadtmauer übertönt. Ahmose konnte sehen, dass dort Männer herumliefen und zeigten und schrill vor Überraschung schrien, entsetzt jedoch nicht. Sie wissen, dass sie von uns nichts zu befürchten haben, dachte er bekümmert. Unsere Schwerter können sie nicht erreichen. Noch nicht. Nicht bis sie am Verhungern sind. Und dieser Ort ist so groß, dass es innerhalb der Steinmauern viele schöne Gärten mit Brunnen geben muss. Draußen gibt es keine. Scharuhen wird mich besiegen. Ich spüre es. Er wandte sich an Chabechnet, der pflichtschuldig unmittelbar neben ihm wartete. »Schick einen Läufer mit Begleitschutz an die Küste«, befahl er. »Er soll sich einen Streitwagen nehmen. Ich möchte wissen, ob Abana und Hor-Aha angekommen sind und was sie bislang getan haben. Wenn alles gut gegangen ist, sollen sie mit den Medjai hierher kommen, und danach bittest die Generäle für heute Abend zum Kriegsrat.« Chabechnet verbeugte sich und ging, verbeugte sich erneut vor Tani, die sich einen Weg durch die Steine suchte.
»Du hast Achtoi befohlen, mein Zelt neben deinem aufzustellen«, sagte sie ohne weitere Vorrede. »Aber ich brauche es nicht, Ahmose. Ich möchte sofort in die Stadt.« Sie reckte das Kinn, und ihre Augen blickten trotzig. Er musterte sie, wägte ab, ob es ratsam war, sie während des Kriegsrats noch bei sich zu behalten.
»Ich möchte Apophis gern eine formelle Aufforderung zur Übergabe zukommen lassen, ehe ich dir Lebewohl sage«, antwortete er. »Das geschieht morgen früh. Bitte, Tani, erdulde meine Gesellschaft noch zwei Tage länger.« Ihre Miene wurde weicher.
»Entschuldigung«, sagte sie zerknirscht. »Ich bin hin-und hergerissen zwischen der Liebe zu meinem Mann und der Treue zu dir, meinem Bruder. Ich bleibe. Ein gnadenloser Ort, nicht wahr?«
»Ja. Ändere deine Meinung, und ich schicke
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