Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
ihre Leiber waren unter dicken Tuniken verborgen, die ihnen bis zu den Waden reichten und farbenprächtige geometrische Muster und Fransen an Ausschnitt und Saum aufwiesen. Alle hielten Speere, und der in der Mitte hatte eine gewaltige Axt in der Hand, die an seinem Knöchel ruhte.
    Chabechnet beendete seine Aufforderung. Ahmose wartete auf irgendeine Antwort von diesen reglosen Wachposten, irgendeine Andeutung, dass sie die Botschaft gehört und verstanden hatten, doch sie starrten nur scheinbar gleichgültig zu ihnen herunter, und ehe Ahmose sich dabei albern vorkommen konnte, klopfte er auf Mesehtis feuchtes Rückgrat. Die erschöpften Pferde machten kehrt. »Wer das wohl gewesen ist?«, sagte Chabechnet, als sich der Streitwagen Ahmoses Zelt näherte und hielt. »Möglicherweise die Leibwache des Befehlshabers.«
    »Ich habe das Gefühl, der Mann in der Mitte war der Befehlshaber höchstpersönlich«, meinte Ahmose. »Die Zeit hat gereicht, ihm zu melden, dass wir mit unserem Aufruf um die Stadt herumfahren, und da ist er aufs Westtor hinaufgeklettert und hat sie sich mit eigenen Ohren angehört. Ich befürchte, es waren unsererseits nur leere große Worte, Chabechnet, aber es musste sein.« Chabechnet steckte die Fahne an ihren Platz zurück, verbeugte sich und eilte davon.
    Ahmose entließ Mesehti und betrat sein Zelt. »Ich habe rasende Kopfschmerzen«, sagte er zu Achtoi, riss sich den Schurz vom Leib und fiel auf das Feldbett. »Geh zu meinem Arzt und hole mir Mohnsaft.« So lag er da, die Augen fest geschlossen, die Finger auf die schmerzenden Schläfen gepresst.
    Das hast du mir angetan, sagte er im Geist zu Apophis. Deine Hand hat den Mörder geleitet, der Kamose ermordet und mir diesen Dämon im Schädel zurückgelassen hat. Und wenn es den Rest meines Lebens kostet, ich werde Scharuhen belagern, bis du nachgibst. Achtoi kehrte mit Hekayib zurück, und beide halfen ihm beim Aufsitzen. Behutsam flößte Achtoi ihm die milchige Flüssigkeit löffelweise ein und ließ ihn dann auf sein Kissen zurücksinken, wo Hekayib ihn sanft wusch. Unter der beruhigenden Berührung des Leibdieners döste Ahmose ein. »Wo ist Tani?«, fragte er schlaftrunken.
    »Ihre Majestät sieht sich zusammen mit Heket und ihren Wachen das Große Grün an«, antwortete Achtoi quer durch das Zelt.
    »Sie geht mir aus dem Weg«, meinte Ahmose, schon halb im Schlaf. Die gemurmelte Antwort seines Haushofmeisters hörte er nicht mehr.
    Gegen Sonnenuntergang wachte er auf, und da war das Hämmern in seinem Schädel zu einem dumpfen Schmerz geworden, und er schlief wieder ein. Es gab nichts zu tun, keine Befehle zu erteilen, keine andere Aufstellung seines Heeres anzuordnen. Achtoi erzählte ihm am nächsten Morgen, dass Tani in sein Zelt gekommen wäre, man ihr gesagt hätte, es ginge ihm nicht gut, und sie wieder gegangen wäre. Ahmose war froh, dass er zu der Zeit tief und fest geschlafen hatte. Er wollte nicht mehr mit seiner Schwester sprechen, nicht mehr verlegen und insgeheim gereizt bei ihr sitzen, nicht sehen, wie sie den Blick bei jeder Bemerkung abwandte, die über leichtes Geplauder hinausging.
    Draußen vor dem Zelt hockten Chabechnet und Anchmahor in eine Unterhaltung vertieft auf der Erde, und Mesehti saß auf der Kante von Ahmoses Streitwagen, ließ die Beine baumeln und hielt das Gesicht in die Morgenbrise. Als sich Ahmose näherte, richteten sich alle drei auf. »Wir beziehen Stellung unter dem Südtor und bleiben dort, bis Re über unseren Köpfen steht oder Scharuhen uns eine Antwort gibt«, sagte Ahmose, als er das Gefährt bestieg. Er nickte Chabechnet zu, der hinter ihm einstieg, und dann rollten sie erneut auf die Festung zu und hielten kurz vor dem Tor an. Dieses Mal lag die Mauer verlassen. Man hat den Einwohnern befohlen, sich der Mauerkrone fern zu halten, mutmaßte Ahmose. Nicht um uns stundenlange Beschimpfungen zu ersparen, sondern um die Warterei weiter in die Länge zu ziehen. Die tun vor Nachmittag keinen Zug. Jemand beobachtet uns, den wir jedoch nicht sehen können, ein Wachposten, der über jeden Schweißtropfen, über jedes Verlagern des Gewichts von einem müden Fuß auf den anderen, über jeden Seufzer berichtet, bis der Befehlshaber zu erscheinen geruht. Er stützte die Hüfte an den Rand des Korbes und schloss die Augen.
    Und so kam es. Die Sonne hatte den halben Himmel durchwandert, ehe sich auf der Mauer über dem Tor etwas tat. Zunächst hatten Ahmose und seine Männer gelegentlich geredet, doch

Weitere Kostenlose Bücher