Die Strasse des Horus
dröhnten in seinem Kopf und hallten wie ein Klagegesang in seinem Herzen wider. Sat-Kamose, ein Teil ein Name, der einem Ermordeten gehört hatte, der andere der einer Göttin, die am Tor zur Unterwelt stand und die Dahingeschiedenen mit reinigendem Wasser übergoss. Sie ist schon vor ihrer Geburt verurteilt gewesen, wanderten seine Gedanken weiter. Von Osiris im Mutterschoß gekennzeichnet. Und was ist mit Aahmes-nofretari?
Hölzern ging er zu seinem Amunschrein, öffnete die Türen und sank vor dem zierlichen goldenen Abbild von Wasets Schutzgott zu Boden, doch er merkte, dass er nicht beten konnte. Aahoteps Brief klang nicht nur besorgt, sondern äußerte unterschwellig auch Kritik. Sie hatte Recht, seine Anwesenheit hier war nicht erforderlich. Die eintönige Routine der Belagerung lief auch ohne ihn weiter. Doch daheim gab es schreckliche Veränderungen, Ereignisse, die schon seit Wochen der Vergangenheit angehörten, ehe der Schmerz auch ihn traf. Dieses Mal musst du bei Aahmes-nofretari sein, wenn dieses Kind stirbt, flüsterte es in seinem Herzen. Dieses Mal darfst du sie nicht im Stich lassen, sonst hast du sie für immer verloren.
Er rief nach Achtoi und befahl, seine Truhen zu packen. Er schickte zu Mesehti in die Ställe, damit sein Streitwagen bei Tagesanbruch bereitstand, und sagte Anchmahor, die Getreuen sollten sich für den Aufbruch nach Waset bereitmachen. Ipi und Chabechnet wurden auch benachrichtigt. Der Herold, der Aahoteps Rolle gebracht hatte, wurde unverzüglich zu Paheri ins Delta geschickt, damit ein schnelles Schiff mit der doppelten Anzahl von Ruderern auf ihn wartete, sodass er nirgendwo entlang dem Nil anlegen musste. Als Achtoi die letzte Truhe zuklappte, ging Ahmose zu Bett, lag auf seiner Pritsche in dem leeren Zelt und wollte nur noch fort.
Bei Sonnenaufgang hatte er gespeist, war angekleidet und ließ sich von Mesehti zur Amun-Division fahren, die schon gedrillt wurde. Die Schurze der Soldaten flatterten beim Marschieren, ihre Speerspitzen schimmerten rot, die knappen Befehle der Hauptleute trugen in der kalten, frühmorgendlichen Luft weit. Von einer kleinen Estrade aus, die neben dem Exerzierplatz stand, schaute Turi kritisch zu. Als er Ahmose aussteigen und auf ihn zukommen sah, sprang er herunter und verbeugte sich. »Majestät, dich habe ich heute nicht erwartet!«, rief er. »Möchtest du die Kommandos persönlich erteilen?« Ahmose schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich habe Nachricht erhalten, dass mir eine Tochter geboren ist, sie jedoch im Sterben liegt. Ich muss nach Hause.« Turi streckte eine behandschuhte Hand aus.
»Ach, Ahmose, das tut mir Leid«, sagte er. »Sag Aahmes-nofretari, wie Leid es mir tut.« Turis Worte hatten nichts Förmliches. Er kannte die Familie lange. Ahmose lächelte flüchtig.
»Ich bin zwar der Oberbefehlshaber, aber du bist der General meiner wichtigsten Division«, sagte er. »Ich möchte, dass du während meiner Abwesenheit meinen Platz einnimmst. Du darfst in meinem Namen alle notwendigen Entscheidungen hinsichtlich Schulung und Wohlergehen des Heeres treffen, Turi. Die Wasserversorgung ist geregelt. Berate dich oft mit Abana. Gib den Keftius innerhalb vernünftiger Grenzen alles, was sie haben wollen. Ich erwarte regelmäßig Bericht, aber vermutlich wird nichts Neues darin stehen. Schicke Soldaten am Fuß der Berge auf die Jagd. Aber bläue ihnen ein, dass sie sich von den Bergstämmen fern halten. An meiner Ostflanke darf es keine Schlacht geben.« Er holte tief Luft. »Ich komme zurück, aber erst, wenn ich mir sicher bin, dass Aahmes-nofretari mich nicht mehr braucht.«
»Das verstehe ich. Wie wirst du reisen?«
»Bis Auaris im Streitwagen und dann mit dem Schiff. An Bord eines Wasserschiffes auf dem Großen Grün wäre es schneller gegangen, aber ich möchte auf dem Landweg die Läuferkette nach Ägypten überprüfen. Triff dich einmal wöchentlich mit den anderen Generälen, Turi. Die Stimmung in einem belagernden Heer kann sehr schnell umschlagen. Das ist, glaube ich, alles, es sei denn, du hast noch eine Frage.« Impulsiv umarmte er seinen Freund. Und Turi drückte ihn ohne nachzudenken an sich, ehe er sich bückte und ihm die Hand küsste.
»Mögen deine Sohlen festen Tritt finden, Majestät«, sagte er. »Mach dir wegen Scharuhen keine Sorgen. Grüße deine Mutter von mir.« Mehr gab es nicht zu sagen, doch Ahmose wollte auf einmal gar nicht fort. Sein Blick wanderte kurz über die hin-und hermarschierenden Reihen seiner
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