Die Strasse des Horus
sein, dass Scharuhen voll gewöhnlicher Bürger ist und die Garnison sehr klein? In ganz Rethennu gibt es einfach keine Soldaten mehr. Die meisten hat mein Heer umgebracht, als sie sich ins Delta gewagt haben. Habe ich Recht?« Sie blickte weiter auf ihre Füße und antwortete nicht. »Sieh mich an!«, befahl er ihr barsch. Widerstrebend hob sie den Blick. »Ich bin bereit, für deinen Mann ein königliches Begräbnis anzuordnen«, sagte er. »Binnen einer Stunde wartet eine Kiste mit Sand vor seinem Zelt. Sowie er tot ist, brecht ihr zusammen nach Auaris auf, und ich gebe dir eine Rolle für General Sobek-chu mit, dass du ihn ins Haus des Todes bringen und ihn formell siebzig Tage betrauern darfst. Dann suchst du dir einen Priester, der die erforderlichen Riten vor dem Grabmal von Apophis’ Vorfahren vollzieht. Danach bist du verbannt. Du darfst nie wieder nach Ägypten zurückkehren, sonst bist du des Todes. Ich weise Abana an, dass er für dich mit dem Schiff so viel Gold nach Keftiu bringt, dass du davon bequem leben kannst. Wenn du willst, magst du wieder heiraten. Im Austausch dafür sagst du mir, wie viel Soldaten in Scharuhen stationiert sind.«
Bei seinen Worten war sie sehr still geworden. Man konnte kaum noch hören, dass sie atmete.
»Und wenn ich mich weigere?«, flüsterte sie.
Er hob die Schultern. »Dann lasse ich den Leichnam deines Mannes verbrennen, sowie er tot ist, und dich sperre ich in Waset wegen Hochverrats ein.«
»Ahmose!«, rutschte es ihr heraus. »Das würdest du niemals tun!«
»O doch«, erwiderte er kalt. »Entschließe dich, Tani. Die Nacht ist bald vorbei.«
»Eine schöne Wahl«, sagte sie bitter. »Und prächtige Aussichten. Das Ka meines Gemahls auslöschen oder meinen Wohltäter, den Befehlshaber von Scharuhen, verraten und in die Verbannung gehen. Wie gnädig von dir, Sohn der Sonne, Wahrer der Maat! Wie gütig! Wieder einmal hast du Salz in eine Wunde gerieben, die ohnedies unerträglich schmerzt. Na schön.« Sie stand auf. »In der Garnison von Scharuhen gibt es nicht mehr als fünftausend Soldaten. Die sind zwar gut bewaffnet, aber nicht sehr diszipliniert. Gegen dein Heer können sie bestimmt nichts ausrichten. Aber sie kommen nicht heraus, Ahmose. Der Befehlshaber lässt sie nicht.«
»Wer herrscht in Scharuhen?«, hakte Ahmose nach. »Der Befehlshaber oder sein Bruder, dem er Asyl gewährt hat?«
»Der Befehlshaber wird sich dem Befehl von Apophis dem Jüngeren unterstellen«, gab sie zu. »Und jetzt lass mich an das Lager meines Mannes zurückkehren. Hoffentlich sehen wir uns nie wieder.« Sie wartete nicht darauf, entlassen zu werden.
Und ich will mich nicht schämen, redete er sich gut zu. Ich habe getan, was ich tun musste. Ich habe mehr für sie getan als viele andere an meiner Stelle. Vielleicht erkennt sie eines Tages, dass auch ich vor einer ebenso begrenzten und furchtbaren Wahl gestanden habe wie sie, und verzeiht mir. Er ging zur Zeltklappe und rief nach Chabechnet. »Man soll für Apophis unverzüglich einen Sarg voll Sand bringen«, sagte er. »Richte General Turi aus, dass er nicht nur den Thron, sondern auch Königin Tautha und den Leichnam ihres Gemahls ins Delta begleiten soll. Schicke mir sofort Ipi und hole Fürst Abana, falls er schon zurück ist.«
Kurz darauf erschien Ipi, legte die Palette auf die Knie, und dann verfasste Ahmose einen Brief an Aahmes-nofretari, in dem er von der Rückgewinnung des Throns und Tanis Rolle dabei berichtete.
Abana wartete bereits, nachdem Ahmose geendet hatte, und als sein Admiral eintrat, bat Ahmose Ipi zu bleiben und die Unterhaltung aufzuzeichnen. Abana verbeugte sich und setzte sich auf den Stuhl, den Ahmose ihm anbot. Die Wochen auf dem Meer hatten tiefere Linien in sein Gesicht geätzt und seine Haut noch dunkler gemacht, doch er erfüllte das Zelt mit einer Aura von Gesundheit und männlicher Lebenskraft. »In drei Tagen hören die Wassertransporte auf«, sagte Ahmose. »Doch ehe das geschieht, möchte ich, dass du jedes Fass in unserem Besitz füllst. Ich ziehe das Heer ab.«
»Das ist mir zu Ohren gekommen.« Abana streckte die Beine aus, kreuzte die Knöchel und betrachtete seinen König nachdenklich. »Aber das Heer braucht nicht so viel Wasser, wenn es nur ins Delta zurückmarschiert, wo es ausreichend gibt. Du hast einen Plan, Majestät.« Ahmose schenkte ihm ein Lächeln.
»Ja, so ist es. Ich habe erfahren, dass die Garnison in Scharuhen klein ist und die Stadt selbst von einem sehr
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