Die Straße nach Eden - The Other Eden
Schluck.
Nachdem ich das Glas wieder auf den Tisch gestellt hatte, umarmte Mary mich und küsste mich auf die Wange.
»Alles wird wieder gut, Eleanor«, versprach sie.
Ich bedachte sie mit einem halbherzigen Lächeln, und sie wandte sich zur Tür. Bevor sie sie hinter sich schloss, sagte sie noch: »Ich bin gleich draußen auf dem Flur, wenn du mich brauchst.«
Ich wartete, bis ich sie auf ihrem Stuhl Platz nehmen hörte, dann spuckte ich die Tabletten wieder aus. Sie hatten sich schon teilweise aufgelöst, dagegen ließ sich nichts machen. Ich ging zum Bett zurück und legte mich darauf. Da ich mich mit einem Mal entsetzlich elend und verlassen fühlte, presste ich das Gesicht in das Kissen auf Alexanders Seite des Bettes, das noch schwach nach ihm roch, dann drehte ich mich auf die Seite und drückte es an mich, als könne es meine Furcht vertreiben oder den Schmerz lindern, den meine zwiespältigen Gefühle für ihn auslösten.
Die schlaflose Nacht, die hinter mir lag, die Aktivitäten
dieses Tages oder aber Marys Tabletten schienen Wirkung zu zeigen, denn nach einiger Zeit fiel ich in einen unruhigen Schlummer.
Alexander und ich knieten auf dem Boden des Ballsaales. Kaltes graues Licht hüllte uns ein. Alexander trug den dunklen Anzug, in dem er auf dem Kostümball erschienen war, ich Eves Hochzeitskleid. Eine Weile sahen wir uns schweigend an, dann beugte ich mich vor, küsste ihn auf die Wange, stand auf und sagte leise: »Leb wohl.«
Ich verließ den Saal durch eine andere offen stehende Tür und trat, ohne mich noch einmal umzudrehen, in eine schwarze Leere hinaus. Einen Moment lang meinte ich ins Bodenlose zu fallen, dann fand ich mich in dem Garten mit dem kleinen Flötenspieler wieder. Ich stand vor der Mulde mit der Eisschicht und starrte das darunter verborgene verstümmelte weiße Gesicht an - ohne etwas zu denken, ohne etwas zu empfinden, ich stand einfach nur da und starrte es blicklos an.
Doch kurz bevor ich erwachte veränderte sich das Gesicht, es wurde jünger und jünger, bis ich ein Kindergesicht vor mir sah. Im ersten Moment hielt ich es für mein eigenes, doch dann sah ich, dass es von kastanienbraunem Haar umrahmt wurde und die durchscheinende Blässe eines Menschen aufwies, der eine lange, schwere Krankheit nur knapp überlebt hatte.
10. Kapitel
I ch erwachte mit Taschas Namen auf den Lippen und wusste, dass ich keine Zeit mehr verlieren durfte. Da ich nicht wusste, ob Mary noch immer vor meiner Tür Wache hielt und kein Risiko eingehen wollte, schlüpfte ich in ein Paar Sandalen und trat auf die Galerie hinaus.
Als ich mich über die Balustrade beugte, konnte ich die knorrigen Finger einer Glyzinienranke ausmachen, die sich um den Pfeiler unter mir wand. Ich schwang mich über das Geländer und suchte nach Halt, dann kletterte ich vorsichtig an der Ranke hinunter, rannte um das Haus herum und jagte den Pfad hinunter, der von dem Hügelgarten zum Rand des Sees führte.
In Alexanders Arbeitszimmer brannte noch Licht; ich sah es zwischen den Bäumen aufschimmern. Doch als ich das Cottage erreichte, stellte ich fest, dass der Raum leer war. Ich lief zur Vordertür, stieß sie auf und rief seinen und Taschas Namen, erhielt jedoch keine Antwort. Eine flüchtige Suche bestätigte mir, was ich bereits ahnte: Taschas Bett war zerwühlt, aber gleichfalls leer, Alexanders unberührt. Es gab keinen Hinweis darauf, wo die beiden hingegangen sein konnten, aber für mich gab es nur einen Ort, wo ich sie finden würde.
Mein erster Impuls bestand darin, schnurstracks zu dem Haus auf dem Hügel hochzulaufen, doch der noch klar arbeitende Teil meines Verstandes riet mir eindringlich davon ab. Ich würde den Weg nie rechtzeitig finden, um Alexander und Tascha noch zu Hilfe kommen zu können, falls ich ihn überhaupt fand. Meine aufsteigende Panik niederkämpfend
rannte ich nach Eden zurück und auf die Auffahrt zu. Das Auto parkte im Schatten der Magnolie. Ich wusste, dass Jean-Pierre den Schlüssel immer im Zündschloss stecken ließ, jetzt konnte ich nur beten, dass der Wagen beim ersten Versuch ansprang. Mit wild hämmerndem Herzen legte ich den Gang ein, drehte den Schlüssel und konnte mein Glück kaum fassen, als der Motor hustend zum Leben erwachte. Als ich anfuhr, sah ich im Rückspiegel Schatten, die sich hinter den erleuchteten Fenstern des Hauses bewegten, dann erlosch das Licht.
Ich verfügte nur über rudimentäre Kenntnisse der Kunst des Autofahrens, aber als ich die Abzweigung
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