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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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dass ich das Rätsel um den Verbleib der verschwundenen Zwillingsschwester meiner Mutter gelöst hatte. Aber wenn Eve am Leben war und sich in der Nähe von Eden aufhielt, konnte ich mir nicht erklären, wie sie es geschafft hatte, so lange unentdeckt zu bleiben. Und wenn sie sich all diese Monate lang vor mir versteckt hatte, ergab es doch keinen Sinn, dass sie jetzt plötzlich meine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte, noch dazu auf eine so rührselige Weise.
    Der Schlüsselring aus der Bibliothek steckte noch immer in meiner Tasche. Ich zog ihn heraus und legte ihn vor mich auf den Tisch. Die Schlüssel waren alt und rostig und sahen mehr oder weniger alle gleich aus - bis auf einen sehr viel kleineren, der eher zu einer Truhe oder einem Schrank als
zu einer Tür zu passen schien. Irgendetwas an diesem letzten Schlüssel schlug eine dunkle Saite in mir an, obwohl ich mir sicher war, ihn oder einen ähnlichen nie zuvor gesehen zu haben. Wie für alles andere, was mit dem Haus auf dem Hügel zusammenhing, fand ich auch hierfür keine Erklärung.
    Die Furcht, die ich überwunden zu haben geglaubt hatte, begann erneut von mir Besitz zu ergreifen. Ich wusste, dass ich mich irgendjemandem anvertrauen musste, ehe sie mich zu überwältigen drohte. Es war schon nach vier, und die Trewoschows hätten um zwei hier sein sollen. Doch das Haus lag verlassen da, ich wollte gerade zum Cottage hinübergehen, um dort nachzusehen, als ich Marys Zettel auf dem Notenhalter des Klaviers fand.
    14.00
     
    Eleanor, ich habe dich überall gesucht, konnte dich aber nirgendwo finden. Die Trewoschows sind mit Verspätung in Baton Rouge eingetroffen, und das Auto, das sie bestellt hatten, ist einfach nicht gekommen. Ich bin mit Jean-Pierre losgefahren, um sie abzuholen. Wir müssten in drei Stunden zurück sein.
    Mary
    Ich trat zu den hohen Fenstern, die zum See hinausgingen. Kein Lüftchen rührte sich, kein Geräusch zerriss das Summen der Insekten. Zwischen den schlanken Stämmen der Zypressen schimmerte das Wasser so dick und glatt wie Quecksilber. Ich legte mich auf eines der Sofas gegenüber der Fenster und blickte in den schläfrigen Nachmittag hinaus. Eigentlich wollte ich mich nur eine Weile ausruhen und dann meine Klavierübungen fortsetzen, doch innerhalb weniger Minuten war ich fest eingeschlafen.

    Ein voller Mond stand tief am Horizont, sein bleiches Licht flutete durch die offenen Türen des Ballsaals. Die warme, stille Luft war vom Duft von Rosen und Geißblatt erfüllt.
    Im Dämmerlicht schimmerte mein Kleid rot wie Blut. Der schwere Stoff des Rockes knisterte, als ich auf das Klavier in der Mitte des Raumes zuschritt, auf der Bank davor Platz nahm und zu spielen begann. Dem Instrument entströmte eine weiche, dunkle Melodie, die meinen Ohren fremd war, meine Finger aber so gut kannten, als hätte ich sie schon mein ganzes Leben lang gespielt. Sie glich beinahe, aber nicht ganz einer Reihe von Variationen eines Basso Continuos und ähnelte in ihrer unbestimmten Wehmut dem Beginn der Chopin-Ballade, doch diese namenlose Musik berührte den Zuhörer tiefer, rief schmerzliche Trauer und Verlangen zugleich in ihm hervor.
    Als sie verklungen war, hob ich den Kopf. Alexander stand neben dem Klavier. Alles an ihm war dunkel, nur sein Gesicht leuchtete so silbrig wie der Mond. Er lächelte mich an, dann hielt er mir eine Hand hin. Ich stand auf und ergriff sie. Sie fühlte sich überraschend warm an, und diese Wärme schien in meine eigenen klammen Finger einzusickern.
    Wir traten ins Freie hinaus, in einen kleinen Rosengarten mit einem Springbrunnen in der Mitte. Das Wasser ergoss sich aus einem Becken in das Nächste, die Tropfen glitzerten wie Eisflocken in der Luft. Ich betrachtete sie fasziniert, doch Alexander zog mich weiter, auf eine mit Efeu bewachsene Mauer am anderen Ende des Gartens zu. Er gab meine Hand frei, griff nach meinem Nacken und zog mir etwas über den Kopf. Es war ein kleiner silberner Schlüssel an einer dünnen Silberkette. Alexander hob den Efeuvorhang an. Darunter kam eine Tür in der Wand zum Vorschein, die er mit dem Schlüssel öffnete.
    Hinter der Tür lag ein weiterer Garten, halb von der
Mauer, halb von einer Hecke mit einer Lücke am Ende begrenzt, hinter der ein Pfad begann. Hinter der Hecke hob sich eine Reihe von Bäumen im Mondlicht schwarz und bläulich vom Himmel ab. Der einzige Baum im Garten selbst stand genau in der Mitte, er hatte hängende Zweige wie eine Trauerweide und dunkle,

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