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Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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lange und hing dabei meinen trüben Gedanken nach, und als ich endlich den Kopf hob, sah ich, dass Alexander auf seinem Stuhl ebenfalls eingeschlafen war. Als ich eine Hand ausstreckte, um die Nachttischlampe auszuschalten, streifte mein Arm eine Vase mit einem kleinen Rosenstrauß auf dem Tisch, und ein Regen welkender Blütenblätter und pudriger Pollen rieselte auf das feine Leinendeckchen.
    Die Rosen waren mir zuvor gar nicht aufgefallen, aber
jetzt fiel mir ein, dass es sich um den Strauß handeln musste, den Dorian Tascha gegeben hatte. Die Blumen waren anders als Edens Rosen, größer, mit fleischigen elfenbeinfarbenen Blüten. Ein Hauch von Fäulnis schien ihnen anzuhaften, der mich an die verrotteten Ledereinbände der Bücher in dem Haus auf dem Hügel erinnerte, und ich fragte mich gerade, wieso Dorian ausgerechnet diese Rosen als Geschenk für ein kleines Mädchen ausgewählt hatte, als weitere Blütenblätter auf den Nachttisch fielen. Nachdenklich musterte ich die tiefroten Kelchblätter und die zähen, dunklen, dornenbewehrten Stängel. Dann durchzuckte mich plötzlich eine Erkenntnis, und ich konnte mich nur noch über meine eigene Naivität wundern. Dorian konnte ja gar nicht wissen, dass es auf Eden ein kleines Mädchen gab.
    Vor Widerwillen schaudernd griff ich nach der Vase und dem Deckchen mit den herabgefallenen Blüten, stieß die Fensterläden auf, kippte die Vase aus und schüttelte die Leinendecke kräftig aus. Dann stützte ich mich auf das Fensterbrett und sog die frische, klare Nachtluft in tiefen Zügen ein. Wolken verdeckten die Sterne, es herrschte eine nahezu undurchdringliche Finsternis.
    Nachdem ich die Läden wieder geschlossen hatte, durchquerte ich den Raum und ging durch die Halle in Alexanders dunkles Schlafzimmer, wo Mary tief und fest schlafend auf dem Bett lag. Ohne große Überraschung registrierte ich, dass oben auf dem Hügel ein schwaches Licht schimmerte; als hätte ich insgeheim damit gerechnet. Ich weiß nicht, wie lange ich am Fenster gestanden und zu dem Licht hinübergestarrt hätte, wenn nicht Tascha plötzlich im Schlaf laut aufgewimmert hätte. Ich lief rasch in ihr Zimmer zurück.
    Alexander schnarchte noch immer leise. Tascha war zwar nicht aufgewacht, aber sie schlief auch nicht länger
friedlich. Ihr Kopf war zur Seite gekippt, ihre Lippen geöffnet, und ab und an kräuselte sie angestrengt die Stirn. Ich strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Ihre Haut fühlte sich immer noch zu warm an. Als ich sie berührte, krümmte sie sich, als hätte ich sie geschlagen, und rief einmal: »Nein!«, dann begann sie im Schlaf zu sprechen. Zuerst kam nur ein unzusammenhängendes Gemurmel über ihre Lippen, doch bald konnte ich einzelne Worte heraushören. Dann sagte sie klar und vernehmlich: »Dorian.«
    Fast im selben Moment schlug sie die Augen auf. Als sie sah, dass ich mich über sie beugte, wirkte sie zunächst verwirrt, fast verängstigt. Dann zwinkerte sie und lächelte. »Eleanor.« Sie streckte ihre dünnen Ärmchen nach mir aus. »Du bist das.«
    Ich setzte mich zu ihr auf das Bett, und sie kuschelte sich in meine Arme.
    »Erinnerst du dich an das, was du gerade gesagt hast, Liebes?«, fragte ich sie.
    Sie sah mit großen, verständnislosen Augen zu mir auf. »Ich habe nichts gesagt.«
    »Du weißt nicht mehr, dass du etwas gesagt hast, als du aufgewacht bist?«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. Ich strich ihr das Haar glatt. Ihre Lider wurden wieder schwer, und ich wollte mich gerade seufzend damit abfinden, ein neues Rätsel nicht lösen zu können, als sie flüsterte: »Ich habe geträumt.«
    »Wovon denn?«
    »Von einem Mann.«
    »Was für einem Mann?«
    Sie dachte kurz nach, dann antwortete sie: »Dem Mann mit den Zauberrosen.«
    Ich lächelte ihr aufmunternd zu, obwohl mir bei der Erwähnung der Rosen ein kalter Schauer über den Rücken lief. »Hast du mit ihm gesprochen?«

    Wieder schien sie ihre Worte sorgfältig abzuwägen, ehe sie erwiderte: »Er hat mich gar nicht gesehen. Er hat dich angeschaut.«
    »So, hat er das?« Es fiel mir schwer, mir meinen Schrecken nicht anmerken zu lassen, aber es musste mir gelungen sein, denn Tascha nickte nur schwach.
    »Mmm«, brummte sie schläfrig.
    »Es ist alles gut, Tascha.« Ich drückte sie an mich. »Es war nur ein Traum. Jetzt schlaf weiter, damit du bald wieder gesund bist.«
    »Singst du mir ein Schlaflied vor?«
    Ergeben stimmte ich das erste Wiegenlied an, das mir in den Sinn kam - ein französisches, das

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