Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Straße nach Eden - The Other Eden

Titel: Die Straße nach Eden - The Other Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
Vom Netzwerk:
derselben Nacht hingegeben hätte. Er war es, der verhinderte, dass wir etwas taten, was zum damaligen Zeitpunkt vielleicht überstürzt und verfrüht gewesen wäre.
    Ich gebe zu, dass ich mich über seine Zurückhaltung wunderte. Als ich am nächsten Morgen in aller Frühe das Haus verließ, grübelte ich darüber nach, aber ich war zu erschöpft und von alldem, was sich innerhalb der letzten Stunden in meinem Leben ereignet hatte, zu durcheinander, um diesem Umstand große Bedeutung beizumessen. Auf Zehenspitzen schlich ich nach oben, fiel in meinen Kleidern auf das Bett und schlief sofort ein, nur um, wie es mir vorkam, ein paar Minuten später von Mary geweckt zu werden. Sie teilte mir voller Sorge mit, Alexander sei zum Herrenhaus gekommen, um das Telefon zu benutzen, weil Tascha plötzlich erkrankt sei.
    Mary war von dieser Nachricht ganz offensichtlich zu erschüttert, um zu bemerken, dass ich in meinen Kleidern geschlafen hatte. So hatte ich keine Gelegenheit, mit ihr über das zu sprechen, was zwischen Alexander und mir vorgefallen war. Es war einer dieser scheinbar alltäglichen Zufälle, die mehr Nachwirkungen nach sich zogen, als ich ahnen konnte.
    Der ganze Haushalt zeigte sich von Taschas Krankheit tief betroffen. Am Nachmittag hatte das Mädchen über Bauchschmerzen und Atemprobleme geklagt. Mary und
ich eilten sofort zum Cottage hinüber, um Alexander unsere Hilfe anzubieten. Ein Arzt aus dem Dorf - zum Glück nicht Dr. Brown - wurde gerufen, und nachdem er Taschas Brust abgehört hatte, meinte er, ihre Atembeschwerden lie ßen nicht auf einen neuerlichen Ausbruch der Schwindsucht schließen. Trotzdem ließ er uns einige Fläschchen mit Medizin da und wies uns an, ihn sofort zu benachrichtigen, wenn sich ihr Zustand verschlechterte.
    Den ganzen Nachmittag saßen wir abwechselnd an Taschas Bett, lenkten sie mit Geschichten und Liedern ab, und am frühen Abend fiel sie dann dank eines Glases heißer, mit einem Esslöffel süßem Rum versetzter Milch - ein Hausmittel, das Mary auch immer angewandt hatte, wenn ich als Kind krank gewesen war - in einen unruhigen Schlaf. Sowie sie fest eingeschlafen war, setzten wir uns an den Küchentisch und beratschlagten flüsternd, was nun zu tun sei.
    »Soll ich den Arzt noch einmal kommen lassen?«, fragte Mary.
    Alexander schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Seit ihrer Krankheit gerate ich jedes Mal in Panik, wenn sie nur niest. Wahrscheinlich hat sie sich nur erkältet.«
    »Es kann aber nicht schaden, wenn der Doktor sie sich noch mal ansieht.« Ohne eine Antwort abzuwarten hastete Mary zum Herrenhaus zurück, um den Anruf zu tätigen.
    Ich griff nach Alexanders Hand und drückte sie. Er blickte zu mir auf und lächelte, konnte seine tiefe Besorgnis damit aber nicht überdecken.
    »Sie ist bestimmt bald wieder auf den Beinen«, versuchte ich ihn aufzumuntern, merkte aber selbst, wie wenig überzeugend ich klang. »Vermutlich leidet sie unter der Klimaumstellung. Wenn ich reise, ziehe ich mir auch oft eine Erkältung zu.«
    Er hörte mir überhaupt nicht zu. »Sie darf nicht wieder so
schwer krank werden, das ertrage ich einfach nicht«, murmelte er, dann versank er wieder in seiner eigenen Welt.
    Eine Stunde später traf der Arzt ein. Wieder hörte er Taschas Brust ab, maß ihre Temperatur und diagnostizierte eine Grippe. Er ordnete an, sie genau zu beobachten und ihn sofort zu verständigen, wenn es ihr schlechter ging.
    Wir wachten gemeinsam die ganze Nacht bei Tascha, die sich stöhnend von einer Seite auf die andere warf, versuchten ihr Wasser einzuflößen, das sie sofort wieder erbrach, und riefen den Arzt schließlich am frühen Morgen erneut an. Diesmal war seine Miene nach der Untersuchung deutlich ernster als am Vortag, er stellte auch keine konkrete Diagnose mehr. Er gab uns nur ein paar neue Medikamente, die Tascha mit der Resignation einer erfahrenen Kranken gehorsam einnahm.
    Am späten Abend gelang es Alexander endlich, Mary zu überreden, sich ein paar Stunden hinzulegen, allerdings bestand sie darauf, im Cottage zu bleiben, um zur Stelle zu sein, falls sie gebraucht wurde. Ich konnte genau wie Alexander kein Auge zutun. Wir blieben in Taschas Zimmer, lasen oder sangen ihr etwas vor und versuchten, uns nicht von unserer Angst um sie überwältigen zu lassen, bis sie endlich einschlief.
    So still, wie sie dalag, glich sie einer Porzellanpuppe, ihre Wimpern hoben sich wie seidige Fransen von den vom Fieber geröteten Wangen ab. Ich betrachtete sie

Weitere Kostenlose Bücher