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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Truppen der Legion.«
    Grandtours wischte mit einer großen Armbewegung durch die kalte Luft. Seine Stimme war so schmeichelnd wie die Amar Ben Belkacems so höflich in der Drohung, daß Prochaine erstaunt zur Seite blickte.
    »Sollte Amar Ben Belkacem blind geworden sein?« Grandtours zeigte dem Araber auf den Hals, wo sich unter dem Kinn der lange Schnitt hinzog. Amar Ben Belkacem kniff die Augen zusammen; seine Lippen wurden schmaler als ein Strich, sie verschwanden fast. »So viel ich weiß, bist du heute morgen noch hinter dem Weißen hergeritten. Wir haben gute Ferngläser, Amar. Wir sehen alles!«
    Der Araber rührte sich nicht. Er drehte nur den Kopf im Kreis und sagte leise: »Das Lager steht zu Ihrer Verfügung, Herr Leutnant. Bitte, durchsuchen Sie es. Ich werde Sie begleiten, um die Frauen zurückzuhalten. Wir sind Nomaden, sonst nichts.«
    Grandtours wandte sich ab. Er ging ein paar Schritte zurück und blickte Prochaine achselzuckend an, der ihm gefolgt war. »Fahren wir«, sagte er leise. »Wenn Amar so spricht, ist der Weiße nicht mehr im Lager. Vielleicht ist er schon etliche Kilometer im Atlas und sitzt in irgendeiner Schlucht. Hier können wir nichts mehr tun!« Er ballte die Fäuste und drückte sie gegen die Hüften. »Himmel, könnte ich diesen Burschen doch umbringen! Solange er lebt, wird nie Ruhe in der Wüste sein.«
    »Aber wir haben keine Handhabe, ihn festzusetzen.«
    »Eben nicht. Er ist glatt wie eine Viper, die unter den Fingern weggleitet. Ein Mensch aus Schmierseife! Dabei weiß er ganz genau, daß wir den Weißen bei ihm gesehen haben. Aber wir sind machtlos, Herr Hauptmann! Wir können wieder gehen.«
    »Ohne ihm eine Lehre erteilt zu haben? Lassen Sie uns wenigstens das Lager durchsuchen!«
    Grandtours schüttelte den Kopf. »Warum? Es würde uns nur blamieren. Sehen Sie bloß, wie dieses Aas dasteht.«
    Prochaine sah zurück. Amar Ben Belkacem lehnte an seinem Hauszelt und sah über die Legionäre hinweg in die Wüste hinein. Sein weißer Seidenhaikh glänzte im Licht der Sterne und der Lagerfeuer, die langsam niederbrannten.
    Wie ein Symbol der Sahara stand seine Gestalt gegen den nächtlichen Himmel. Ein Bild der Ruhe, der Kraft und des unbeugsamen Stolzes.
    Prochaine schlug mit der Reitgerte, die er aus dem Stiefelschaft gezogen hatte, gegen seine Beine. »Zurück zu den Wagen!« sagte er hart. Er wandte sich ab und schritt, gefolgt von den Legionären, zu den Jeeps.
    Grandtours blieb als einziger zurück und trat noch einmal an Amar Ben Belkacem heran. »Amar«, sagte er leise, »daß du leben bliebst, war ein Versehen des Himmels. Ich gäbe mein Leben dafür, dieses Versehen zu korrigieren.«
    Der Araber strich sich mit den Fingerspitzen fast spielerisch über die Stirn. »Wir werden uns wiedersehen, Leutnant«, antwortete er lächelnd.
    »Bestimmt, Amar!«
    »Ich bete diesen Wunsch jeden Tag dreimal zu Allah.« Die Hand des Arabers glitt das Gesicht hinunter und tastete die lange, aufgeworfene Narbe ab. »Ich habe Sie nicht vergessen, Leutnant. Ihr Souvenir ist mir wertvoll. Ich möchte mich für dieses Andenken bedanken.«
    Grandtours beugte den Oberkörper vor. »Ich bin sofort bereit, Amar!«
    »Nicht sofort. Die Wüste hat Zeit, viel Zeit. Jetzt stehen Sie vor mir als Soldat, mit modernen, grausamen Waffen. Ich möchte Sie wiedersehen, wenn wir beide nichts haben als unsere Hände. Nur das, was Allah uns mitgegeben hat. In der Wüste wollen wir uns dann sprechen. Jeder von uns hat zehn Finger – das genügt für eine lange oder auch nur kurze Unterhaltung.« Amar Ben Belkacem verneigte sich leicht. »Und hoffen Sie nicht auf Ihre Ausbildung in Judo – in Paris, wo ich studierte, lernte ich auch diese Kunst.«
    Grandtours fühlte, wie es ihm trotz der Kühle der Nacht siedend über den Rücken lief. Ein Teufel, durchfuhr es ihn, ein widerlicher Teufel. Seine Stimme klang gepreßt, als er antwortete: »Leb wohl, Amar.«
    »Sie wollen das Lager nicht durchsuchen?«
    »Nein.«
    »Sie glauben mir also?«
    »Heute ja. Du bist mir zu sicher!« Grandtours wandte sich ab und eilte mit langen Schritten der kleinen Truppe nach.
    Kurz darauf ratterten die Jeeps durch die Wüstennacht zum Fort zurück. Viller saß fluchend am Steuer und erfüllte die Sahara mit gräßlichen Schimpfworten auf die Araber im allgemeinen und Amar Ben Belkacem im besonderen. Prochaine schwieg; er fragte auch nicht, was Grandtours noch allein mit Amar gesprochen hatte – er ahnte es und schauderte vor

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