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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Licht, das tägliche Leben bis zum Tag der Abreise, das restliche Geld für Pinsel und Farben auf Abzahlung, das Besohlen des einzigen Paars Schuhe – es ging schnell, sie wartete dann zu Hause in Pantoffeln auf die Schuhe, die in vier Stunden fertig waren.
    Was blieb da noch übrig für Afrika?
    Hilde sprang vom Bett und ordnete schnell die Haare. Ob mir Kaufholdt & Meyers etwas pumpen? dachte sie. Sie waren immer nett zu mir, sie waren die ersten in Berlin, die meine Sachen zuerst in Kommission und dann fest übernahmen. Sie zahlen immer sofort in bar und im voraus. Nur zweihundert Mark brauche ich, das würde reichen. Wenn wir erst im August nach Afrika fahren, kann ich billig im Sommerschlußverkauf die Dinge kaufen, die ich am notwendigsten benötige. Nur zweihundert Mark – für Kaufholdt & Meyers ist das eine Lappalie.
    Sie legte ein wenig Lippenrot auf, fuhr sich mit einer runden Nylonbürste durch die Locken und nahm dann ihre Eidechsledertasche. Zum ungezählten Mal schaute sie auf die kleine Karte, die ihr Baron von Pertussi beim Abschied in die Hand gedrückt hatte: ›Agentur Transatlantik Nr. 13. Ausweis für Ballettgirl, Route Af. Lohngruppe III. Girl-Master Monsieur Taques. Nicht übertragbar und nur gültig mit Lichtbild.‹
    Dieser Ausweis würde Kaufholdt & Meyers überzeugen. Und die geliehenen zweihundert Mark würde sie abzahlen oder abarbeiten – wie es ihnen am liebsten war.
    Vor sich hinpfeifend verließ sie die Wohnung und stieg das stille Treppenhaus hinunter.
    Auf der Treppe des ersten Stockwerkes kam ihr Herr Pfeil entgegen. Sein Gesicht war strahlend wie noch nie. »Ihr Götter Griechenlands!« rief er laut und pathetisch. »Hoch lebe Schiller: ›Willst du im Himmel bei mir leben – sooft du kommst, er soll dir offen sein!‹ Fräulein Hilde, ich habe etwas verkauft!«
    »Gratuliere.« Hilde lachte und reichte Herrn Pfeil die Hand. »Ein Gedicht?«
    »Eine Kurzgeschichte! Die dritte bis jetzt! Honorar im voraus! So etwas gibt's noch! Achtzig Mark! Ein Vermögen! Zur Feier des Tages« – er klopfte auf seine Aktentasche – »werde ich mir zu meinen Schrippen ein wenig Wurst leisten! Blutwurst, das Pfund zwei Mark!« Er schob den Hut in den Nacken und sprang die Treppe hinauf. An dem Knick des Geländers zur nächsten Etage beugte er sich zu Hilde hinunter. »Aber sagen Sie Frau Brehmge nichts von meinem unverschämten Glück, sonst will die wieder acht Mark fürs Licht haben!«
    Bei Kaufholdt & Meyers war keiner der beiden Chefs im Hause. Sie waren gemeinsam – was selten vorkam – zu einem Bildhauer nach Tempelhof gefahren, um eine Plastik anzusehen. Sie wollten in zwei Stunden wieder zurück sein.
    »Dann warte ich«, sagte Hilde und setzte sich in einen der Gobelinsessel, die im Büro des Kunsthauses standen. Die Sekretärin ging in ihr Schreibzimmer.
    Die Stunden verrannen. Hilde blätterte in Kunstzeitschriften, las die Kritiken neuer Ausstellungen und die Preise der ausgestellten Bilder.
    Pferde auf der Weide, Öl, neunhundertsiebzig Mark.
    Auf der Baustelle, Tempera, fünfhundertneunzig Mark.
    Landschaft in Apulien, Öl, achthundert Mark.
    Flötenkonzert in Versailles. Alter Meister, 18. Jahrhundert, Öl, achttausendfünfhundert Mark.
    Für ein Bild. Ein einziges Bild!
    Sie legte die Zeitschrift in den Schoß und schaute aus dem großen Fenster auf das abendliche, erleuchtete Berlin. Die bunten Lichtreklamen flammten. Wie feurige Schlangen glitten die Straßenbahnen durch die Nacht. Nur schwach hörte man ihr Rattern durch die geschlossenen Scheiben.
    An der Wand, neben einem alten Gobelin und zwischen zwei Bildern von Rembrandt und van Dyck, tickte eine Uhr. Bei den vollen Stunden tanzte vor dem Zifferblatt auf einer Marmorfläche ein Rokokokavalier mit seiner Dame in großer Krinoline.
    Zehn Uhr abends.
    Und Hilde wartete.
    Man kann lange warten für zweihundert geliehene Mark.
    Leutnant Grandtours musterte noch einmal die Ausrüstung. Die beiden Jeeps standen auf dem Hof des Forts und wurden von drei Scheinwerfern bestrahlt. Sergeant Viller in seiner halb europäischen, halb arabischen Kleidung hockte am Steuer des ersten Wagens und beobachtete den Offizier, der die Gewehre, Maschinenpistolen und Maschinengewehre nachsah, die Munitionskästen zählte und die Magazine für die Pistolen. Neben den Jeeps standen die sieben Legionäre, die man für die nächtliche Patrouille ausgesucht hatte, ein Engländer, drei Franzosen, ein Grieche und zwei Deutsche. Sie rauchten ihre

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