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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer verhängten Limousine, die mit großer Geschwindigkeit durch die Nacht raste.
    Ein Araber, der neben ihr saß, legte den Finger auf die Lippen, als sie sich rührte, und deutete auf seinen Gürtel. Dort stak eine Pistole mit langem Lauf. Hilde schwieg, weil es sinnlos war, jetzt noch zu schreien oder sich zu wehren.
    Auf dem freien Vordersitz neben dem Fahrer sah sie ihre Koffer stehen. Da wußte sie, daß sie Oued el Ham für immer verlassen hatte. Sie begann bei dieser Erkenntnis nicht zu weinen – sie biß die Lippen zusammen und starrte über den freien Sitz hinweg auf das im Scheinwerferlicht liegende helle Band der Straße. Neben ihr war flaches Land, Kiessteppe, vereinzelte Felsen, ein paar Palmenhaine, Olivenkulturen. Dann kam Sand – er wurde zu Wolken unter den Rädern des Wagens, und sie wußte nun, daß die Fahrt nach Süden ging.
    Sie fuhren die ganze Nacht hindurch. Gegen Morgen hielten sie in einer unbewohnten Oase, es war der Brunnen Oued Baba, wo Leutnant Grandtours auf Amar Ben Belkacem getroffen war. Hier hielt der Wagen und füllte aus dem Brunnen neues Wasser in den Kühler. Hilde durfte das Auto verlassen, saß auf dem Brunnenrand in der kalten Nacht und fror. Der stumme Araber neben ihr zog seine Djellabah aus und legte sie ihr über. Erstaunt blickte sie ihn an und nickte ihm dankend zu. Da sah er zur Seite und tat so, als habe er nichts gesehen. Das Heulen der Schakale klang schauerlich und erregend. Langgezogen war es, steigerte sich und zerbrach dann in einem Schrei.
    Nach einer Stunde fuhren sie weiter nach Süden. Gegen zehn Uhr morgens erreichten sie bei glühender Hitze die Oase El Sabrah, einen kleinen Ort um einen flachen Brunnen. Hier erwartete sie die Kamelkarawane, die mit ihr in die Einsamkeit und Ungewißheit hinauszog.
    Am zweiten Tag der Kamelreise sah sie eine Militärpatrouille in der Ferne. Leutnant Grandtours fuhr mit den Jeeps an der kleinen Karawane vorbei, nachdem er sich durch das Fernglas vergewissert hatte, daß es nicht ein Teil von Amar Ben Belkacems Karawane war. Damit verlor sie sein Interesse. Er ließ sie weiterziehen, ohne sich ihr zu nähern.
    Mit brennenden Augen starrte Hilde zu den Staubwolken hinüber, hinter denen die drei kleinen Wagen verschwanden. Der Araber an ihrer Seite auf dem weißen Reitkamel lächelte ihr zu, als die Patrouille am Horizont verschwand. »Gut so«, sagte er mit seiner gutturalen Stimme. »Militär dich nicht haben lebendig.«
    Drei Tage – vier Tage – fünf Tage – sechs Tage – die Wüste nahm kein Ende. Die Hitze laugte die Körper aus. Es gab keinen Brunnen mehr, man trank das warme Wasser aus den ausgekratzten Ziegenbeuteln. Es schmeckte schal, bitter, morastig, aber es war Wasser. Gewaschen wurde sich nicht. Man rieb das Gesicht mit Sand ab, und es blieb ein Brei von Schweiß und Staub auf der Haut zurück wie eine dicke fettige Puderschicht.
    Am siebenten Tag der Wanderung wurde der Himmel hellgrau und dunstig. Die Luft stand still. Sie flimmerte nicht mehr. Wie in einer Waschküche wurde sie fast undurchsichtig und voll Dunst.
    Ein Schrecken schien die Araber erfaßt zu haben. Sie ließen die Kamele im Kreis niederknien. Dann schirrten sie sie ab, mitten in der Wüste, schutzlos vor der Sonne, deckten die Zelte über sich und die Tiere, zogen Hilde aus der Sänfte und drückten sie unter eine der dicken Decken eng neben das kniende Kamel.
    »Scheheli!« schrien die Araber und fielen auf die Knie, das Gesicht nach Mekka gerichtet. Ihr schreiendes Gebet zu Allah erfüllte die stille Wüste. Der Himmel wurde gelb; es war, als löse er sich in Streifen auf. Starr sah Hilde auf dieses Grauen, das die Natur gebar. Sie sah, wie die Luft sich in Wirbeln auflöste und eine bis in den Himmel ragende Wolke aus Sand und Staub vom Horizont auf sie zukam, rasend, mit einer unheimlichen Geschwindigkeit, begleitet von einem fernen und dann immer lauter werdenden Brausen. Kurz bevor der Sandsturm das kleine Häuflein Menschen und Tiere erreicht hatte, wurde die Luft dünn. Hilde lag unter einem Zelttuch, eng an das Kamel gepreßt, das den Kopf flach auf den Sand gelegt hatte, und rang nach Atem. Es war, als habe man sie plötzlich in einen luftleeren Raum gesetzt, als müsse sie ersticken. Sie warf die Arme empor und wollte schreien, aber da kam es schon über sie, ein Brausen, Heulen und Donnern. Sandmassen fielen auf sie nieder und drückten sie zu Boden. Staub drang in jede Ritze, verklebte ihr den Mund, die Augen, die

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