Die Strasse ohne Ende
Grenadine steht.
Ich will es nicht gestehen – aber ich habe Angst vor den arabischen Kellnern. Zu sehr sitzt mir noch die Hetzjagd Amar Ben Belkacems im Nacken. Wenn sie mich bedienen in ihren weißen Jacken und den weißen, plissierten Pumphosen, auf dem gekräuselten Haar den niedrigen hellroten Fez, dann glaube ich in ihren Blicken ein Lauern zu sehen. Aber ich kann mich täuschen, bestimmt täusche ich mich – es ist eine Art Verfolgungswahn, an dem ich leide. Wie sagte doch Monsieur Parthou zu mir: »Im Transatlantique sind Sie so sicher wie in einer Festung.« Ich will das glauben; aber immer, wenn ich aus dem Schwimmbecken steige und mich in die Sonne lege, taste ich die Umgebung nach versteckten Mördern ab.
Seit Tagen habe ich keine Ruhe. Seit ich in Bou Saâda eingetroffen bin, jagen sich die Kommissionen und geben sich die Experten die Klinke in die Hand. Man hat erfahren, welche Pläne ich in den fünfzehn Jahren Wüstenleben gesammelt habe, und man versucht, mit allen Mitteln der Versprechung mich zur Preisgabe der geheimen Wasseradern zu bewegen.
Diese Hast macht mich nachdenklich. Sollte Amar Ben Belkacem recht gehabt haben, als er zu mir sagte: »Mit dem Blühen der Wüste schaffen Sie den Untergang des Afrikaners!«? Jetzt habe ich Zeit, über das alles nachzudenken.
In diesen Betrachtungen störte mich gestern Parthou, der in mein Zimmer trat und sich ungeniert neben mir in den Korbsessel fallen ließ. Er trug eine weiße Seidenhose und einen weißen Tropenhelm aus leinenbezogenem Kork. Er bot mir eine echte Orientzigarette an und schaute dann wie ich über die Palmen zu den weißen Dächern und dem Beginn der Wüste. »Wissen Sie, daß ein Landsmann von Ihnen vor kurzer Zeit in die Sahara gezogen ist? Auch ein Wissenschaftler. Ein Arzt. Ein Dr. Handrick aus Hamburg.«
»Mir unbekannt«, sagte ich ohne Interesse. Was geht mich ein Dr. Handrick aus Hamburg an? dachte ich. Es gibt viele deutsche Ärzte in Afrika, auch in der Fremdenlegion und sogar unter den Araberstämmen. Sie sind sehr beliebt, man vertraut ihnen, den Alémans, wie der Araber sie nennt. Aber dann sagte Parthou etwas, was mich aus meinem Liegestuhl riß: »Dieser Arzt sucht eine Frau! Ein deutsches Mädchen, das man in die Wüste verschleppt haben soll. So ein Blödsinn!«
»Was?« schrie ich. »Er sucht sie auch? Ich habe sie gesehen, ich habe sie gesprochen.«
Parthou sah mich entgeistert an, dann winkte er ab. »Sie waren zu lange in der Sonne, Monsieur«, sagte er grob. »Bitte, erholen Sie sich.«
»Aber nein! In Oued el Ham lebte sie im Hause eines reichen Arabers, Fuad el Mongalla ibn Hadscheh! Ich habe sie gesprochen! An dem Tag meiner Befreiung war sie plötzlich verschwunden!«
Parthou kratzte sich den Kopf und sah mich von der Seite an. »Dumme Sache«, meinte er langsam. »Das gibt einen gewaltigen Krach in Algier! Mädchenhandel in meinem Gebiet – verfluchte Schweinerei! Sind Sie sicher, daß es das Mädchen war?«
»Aber ja! Sie sang sogar ein deutsches Kinderlied!« Ich beugte mich weit vor und sah Parthou fordernd an. »Was wissen Sie von dem Mädchen?« drängte ich ihn.
»Sehr wenig. Sie soll eine Tänzerin sein, die mit einer Truppe aus Deutschland kam, um in Afrika zu tanzen. Sicherlich waren Verträge und Versprechungen nur eine Tarnung für einen wohlorganisierten Mädchenhandel! Ein Omar soll an der Spitze der Bande stehen! Mein Gott, es gibt in Algier hunderttausend Omars!« Parthou sah auf seine Zigarette und stäubte die Asche vorsichtig ab. »Dieser Dr. Handrick lernte sie auf der Überfahrt nach Algier kennen. Er hat sich in sie verknallt! Jetzt will er mit seinen Reihenversuchen über eine neue Ruhrart durch die Wüste ziehen und gleichzeitig das Mädchen suchen. Scheint ihm mit der Liebe tatsächlich ernst zu sein.«
Ich antwortete darauf nicht. Irgend etwas in meinem Inneren schmerzte mich. Zu dumm – es war ein Druck auf dem Herzen bei dem Bewußtsein, daß ein anderer Mann meine unbekannte Retterin liebte. »Wo ist dieser Dr. Handrick jetzt?« fragte ich.
Parthou hob die Schultern und warf seine Zigarette auf die Terrasse, wo sie ein kleiner, lachender Araberboy sofort wegfegte. »Was weiß ich. Ich warte nur auf die Meldung, daß man ihn in irgendeiner Oase erschlagen hat! Stellen Sie sich vor, der Kerl will die Ruhrkranken mit modernen Antibiotika impfen! Einen Araber impfen! Das ist heller Wahnsinn! Von Bou Saâda ist er nach Biskra gefahren; von dort will er durch die Sahara bis
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