Die Strasse ohne Ende
Ghardaia und Laghouat. Sogar bis El Golea und In Salah will er! Na, Gott hab' ihn selig! Ich schließe beide Augen und sehe nichts. Aber wo er jetzt ist, das weiß ich nicht.« Er sah mich von der Seite an und brummte: »Sie wollen ihm doch wohl nicht nach, Monsieur?«
»Ich habe es vor.«
»Dummheit! Auch wegen des Mädels? Herrgott, was sind die Kerle verrückt nach den Weibern!« Er stampfte mit beiden Füßen auf und sah mich wütend an. »Nichts da! Sie bleiben hier im Transatlantique, schwimmen im Bassin und sonnen sich! Sie futtern sich wieder hoch und ruhen sich aus. Und dann werden Sie nach Algier und nach Paris gebracht und werden Ihre verdammt sensationellen Pläne vorführen! Der Ritter der Ehrenlegion ist Ihnen sicher, wenn Sie die Wüste zu Ackerland machen! Der Nobelpreis! Und das Mädchen werden Sie vergessen.«
»Das glaube ich kaum«, sagte ich. Ich vermied es, mit Parthou weiter darüber zu sprechen. Er war einer der sturen, verknöcherten französischen Kolonialbeamten, wie man sie überall findet, ausgedörrt von der Sonne, angesteckt vom Fatalismus der Araber und mit der großen Sehnsucht im Herzen, die Jahre in den Kolonien möglichst ruhig zu verleben, um gesund und zufrieden ins Mutterland Frankreich zurückzukommen.
In diesen Tagen verließ ich nicht das Hotel. Aber ich stand oft an der Mauer, die den Hotelgarten von den Straßen der Eingeborenenstadt und den Palmen trennte, hinter denen gelb und feindlich die Sahara blendete.
Auf den Straßen saßen und lagen die Araber wie immer in den Türen und taten nichts. Sie rauchten, oder sie schwatzten miteinander, aber ich wußte, daß sich hinter ihrer Harmlosigkeit der große Stolz ihrer Freiheit verbarg, ein Haß auf den Europäer, der ihnen elektrisches Licht, Autos, Coca Cola, moderne Waffen und Hygiene brachte, aber ihnen dafür das Recht auf das Land nahm. In diesen Tagen der Stille hatte ich auch Zeit, mich mit meinen Plänen zu beschäftigen. Ich zeichnete auf einer Generalstabskarte die Punkte ein, wo sich ausbohrfähige Brunnen befanden. Zwischen zwanzig und dreiundsiebzig Meter Tiefe schwankten die Bohrtiefen, bis man auf das Grundwasser stieß, das über der Kreideschicht liegt, die sich durch die ganze Wüste in wechselnder Tiefe zieht. Manchmal sank das Bohrloch bis auf dreihundert Meter ab, aber dort, in den Einbrüchen der unterirdischen Schichten, lagen große Grundwasserseen, die das unerschöpfliche Reservoir einer kanalähnlichen Bewässerungsanlage der Sahara werden konnten. Wenn es gelang, durch Pumpstationen diese versteckten Wassermengen an die Oberfläche zu bringen und durch den Sand zu leiten, konnte die leblose Wüste in wenigen Jahren fruchtbares Ackerland sein – eine Basis zur Ernährung der Welt, der Grundstock einer besseren Zeit ohne Sorge um das tägliche Brot!
Ich habe in diesen Tagen wie ein Besessener gearbeitet, bis mich erneut die spontanen Gedanken ergriffen. Wieder war es das Mädchen, und mit ihm verband sich der Wunsch, meine Tagebuchblätter, die ich auf dem Zug mit Amar Ben Belkacem an bestimmten Stellen hinterlassen hatte, einzusammeln und dabei unter militärischem Schutz meine Forschungen zu intensivieren.
Ein Gedanke, der mich nicht wieder losließ.
Ich wurde unruhig, ungeduldig. Wie ein Fieber durchzog es mich. Wirklich, ich habe das nie geglaubt und spüre es nun doch nach wenigen Tagen Ruhe: Es gibt ein Wüstenfieber, eine Wüstensehnsucht. Man muß wieder hinein in diese glühende Öde, in diesen pulverfeinen, heißen Sand, in das blendende Salzgestein und den spitzen Kies. Es treibt einen innerlich dazu – man kann nicht anders – man vergeht in diesem Luxus einer geheiligten Ordnung, die man ein ›normales Leben‹ nennt. Ich sehne mich nach meinem Kamel und nach den sternenklaren Wüstennächten, in denen der Schakal heult und das Grunzen der Kamele einschläfert. Niemand wird das verstehen, der nicht in der Wüste lebt, in dieser absoluten Freiheit, in dieser Weite, die ergreift und gefangennimmt.
Jetzt merke ich, wie unruhig mein Geist ist. Wie unbefriedigt trotz der fünfzehn Jahre, die hinter mir liegen. Bou Saâda kann mir nichts geben. Nein, ich möchte wieder zurück in die Sahara, umherziehen von Oase zu Oase und in das Geheimnis unter dem Sand blicken.
Wie habe ich einmal geschrieben? Ich hasse die Sonne, ich hasse die Wüste, ich hasse dieses Land, ich hasse alles, was Afrika heißt. Jetzt weiß ich, daß es eine Haßliebe ist, die gräßlichste und mächtigste Form
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