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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fuhr die rauhe Zunge darüber.
    Noch einmal ging Hilde das kleine Lager ab.
    Alles blieb still. Unter den Sandhaufen lagen Kamele und Araber. Sie waren erstickt, begraben in wenigen Minuten. Unter einem hohen Sandhaufen ragten die Vorderhufe eines Kamels heraus, der Fetzen einer weißen Djellabah lag neben einem anderen Hügel. Die Sonne brannte. Der Himmel war lichtblau, so blau, als sei vor wenigen Minuten nicht der tödliche Sandsturm über das Land gefegt.
    Ein Schauer rann Hilde über den Rücken, als sie die Stätte des Untergangs sah. Sie grub neben dem Kamel das Sattelzeug aus, klopfte den Sand aus dem Teppich und von den Wasserbeuteln, schirrte das Kamel, so gut sie es konnte, an und band den Holzsattel so fest um den Leib des Tieres, wie sie es mit ihren schwachen Kräften vermochte. Dann nahm sie Bobo auf den Arm, legte die nasse Bluse über ihren Kopf und setzte sich in den Sattel. Ächzend erhob sich das Kamel. Es brüllte laut und reckte sich, schüttelte den langen, gebogenen Hals und bleckte die Zähne.
    Unschlüssig blickte sich Hilde um. Wo lag die nächste Oase? Wohin sollte sie sich wenden? Wo war Norden und wo Süden? Senkrecht stand die Sonne über ihr. Sie blickte noch einmal über das Todeslager und senkte den Kopf. Die große Angst der Hilflosigkeit ergriff sie, die Furcht vor dem Unbekannten.
    Langsam, ohne daß sie es dazu getrieben hatte, begann das Kamel zu laufen. Es trottete in die Wüste hinein. Die Zügel hingen schlaff über seinem Hals, aber es lief; von einer unbekannten Macht getrieben, fand es seinen Weg durch die unendliche Öde. Es fiel in einen zügigen Schaukelgang, hatte das Maul etwas geöffnet und schnaufte bei jedem Schritt. Hilde hockte in dem hölzernen Sattel, Bobo vor sich auf dem hohen Sattelknopf, und ließ sich einfach tragen. Sie versuchte nicht, dem Kamel eine andere Richtung zu geben, sie überließ sich dem gesunden Instinkt des Tieres.
    Stundenlang schaukelte sie durch die glühende Sonne. Die Bluse über ihrem Kopf trocknete aus und wurde hart, da nestelte sie den Wassersack vom Sitz und befeuchtete sie wieder, schüttete auch Wasser über ihre bloßen Schultern und die schutzlose Brust, trank vorsichtig ein paar Schlucke und ließ Bobo an dem Mundstück saugen. Dann schüttete sie in die hohle Hand sechsmal Wasser und reichte es dem trottenden Kamel.
    Als es Abend wurde – erstaunt sah Hilde an der untergehenden Sonne, daß das Kamel nicht nach Norden, sondern nach Südwesten lief –, hielt das Tier plötzlich an und ließ sich in die Knie sinken. Es schrie und sah sich nach Hilde um, die schwankend aus dem Sattel rutschte und sich müde an den Leib des Kamels lehnte. Später zog sie die Bluse an und untersuchte die Satteltaschen nach etwas Eßbarem. Sie fand einige trockene Weizenmehlfladen, die sie auseinanderbrach und mit Bobo und dem Kamel teilte. Sie selbst trank ein paar Schluck Wasser und setzte sich dann auf die Reitdecke.
    Stumm und unbeweglich starrte sie auf die untergehende Sonne. Als sie am Horizont versank und der Himmel blutrot wurde, legte sie den Kopf auf die Arme und weinte.
    Warum sie weinte, wußte sie nicht. Sie mußte einfach weinen – etwas in ihr drängte dazu, es war eine Befreiung, als die Tränen über das staubige Gesicht rannen, eine große Erlösung, auf die sie die ganze Zeit gewartet hatte.
    Ergriffen spürte sie, wie wertvoll Tränen sind. Sie wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und bückte sich zu Bobo, der neben ihr saß und an dem Fladen knabberte. Das Kamel lag still und glotzte zu ihr herüber.
    »Jetzt sind wir drei ganz allein«, sagte Hilde leise und kraulte Bobo das schmutzige Fell. »Es gibt hier nichts als uns. Und wir werden nicht untergehen, was, Bobo? Wir werden uns durchbeißen, wir drei müssen nur ganz fest zusammenhalten.«
    Bobo reagierte nicht; er aß mit Hunger seinen trockenen Fladen und schielte dabei nach dem noch halbvollen Wassersack. Das Kamel hatte die Augen geschlossen und ließ den häßlichen Kopf hin- und herpendeln.
    Seufzend erhob sich Hilde und breitete neben dem Kamel die Decke aus. Die ersten Sterne flimmerten, die Kälte der Wüstennacht brach herein.
    Die Stille, die sie umgab, war vollkommen. Nicht einmal ein Schakal heulte, kein Aasgeier flatterte über sie hinweg. Hier gab es kein Leben mehr, nicht Tier noch Mensch noch Pflanze, nur Sand und Stein, nur Hitze und Kälte, nur Einsamkeit und Schweigen.
    Mit Bobo rollte sich Hilde in die Decke und drückte sich an das

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