Die Straße
Tischgerät. Das sich erwärmende Haus knackte und ächzte. Wie ein Geschöpf, das aus langem Winterschlaf geweckt wird. Der Junge nickte über seiner Schale ein, sein Löffel fiel klappernd auf den Boden. Der Mann stand auf, kam um den Tisch herum, trug den Jungen zum Kamin, legte ihn auf die Laken und deckte ihn mit den Decken zu. Er musste zum Tisch zurückgekehrt sein, denn dort wachte er in der Nacht auf, das Gesicht auf die verschränkten Arme gebettet. Es war kalt im Zimmer, draußen wehte ein kräftiger Wind. Die Fenster klapperten leise in ihren Rahmen. Die Kerze war heruntergebrannt, das Feuer glühte nur noch. Er stand auf, legte Holz nach, setzte sich neben den Jungen, zog die Decken über ihn und strich ihm das schmutzige Haar zurück. Ich glaube, dass sie vielleicht Ausschau halten, sagte er. Sie halten Ausschau nach etwas, dem selbst der Tod nichts anhaben kann, und wenn sie es nicht sehen, werden sie sich von uns abwenden und nicht zurückkommen.
Der Junge wollte nicht, dass er nach oben ging. Der Mann versuchte, vernünftig mit ihm zu reden. Oben könnte es Decken geben, sagte er. Wir müssen nachsehen.
Ich will nicht, dass du da hinaufgehst.
Es ist niemand da.
Es könnte aber jemand da sein.
Es ist niemand da. Meinst du nicht, die Leute wären mittlerweile heruntergekommen?
Vielleicht haben sie Angst.
Ich sage ihnen, dass wir ihnen nichts tun.
Vielleicht sind sie tot.
Dann haben sie bestimmt nichts dagegen, wenn wir uns ein paar Sachen nehmen. Hör zu, ganz gleich, was es da oben gibt, es ist besser, darüber Bescheid zu wissen, als nicht darüber Bescheid zu wissen.
Warum?
Warum? Weil wir keine Überraschungen mögen. Überraschungen machen einem Angst. Und wir wollen keine Angst haben. Außerdem könnte es dort oben Sachen geben, die wir brauchen. Wir müssen nachsehen.
Okay.
Okay? Einfach so?
Auf mich hörst du doch sowieso nicht.
Ich habe dir doch zugehört.
Aber nicht sehr genau.
Es ist niemand da. Es ist seit Jahren niemand da gewesen. In der Asche sind keine Spuren. Nichts ist angerührt worden. Im Kamin sind keine Möbel verbrannt worden. Es sind Nahrungsmittel da.
In Asche halten sich keine Spuren. Das hast du selbst gesagt. Der Wind verweht sie.
Ich gehe jetzt hinauf.
Sie blieben vier Tage in dem Haus, aßen und schliefen. Im ersten Stock hatte er weitere Decken gefunden, und sie schleppten große Mengen Holz herein, das sie in der Zimmerecke aufschichteten, damit es trocknete. Er fand eine alte Spannsäge aus Holz und Draht, mit der er die toten Baumstämme zersägte. Die Zähne waren rostig und stumpf, und er setzte sich mit einer kleinen Rundfeile ans Feuer und versuchte sie ohne großen Erfolg zu schärfen. Ein paar hundert Meter vom Haus entfernt gab es einen Bach, und er schleppte unzählige Eimer über die Stoppelfelder und durch den Schlamm, sie machten Wasser heiß, badeten in einem Raum neben dem hinteren Schlafzimmer im Erdgeschoss, er schnitt sich und dem Jun-gen die Haare und rasierte sich. Sie hatten Kleider, Decken und Kissen aus den Zimmern im ersten Stock und statteten sich neu aus, wobei er die Hose des Jungen mit seinem Messer auf die passende Länge kürzte. Er richtete am Kamin einen Schlafplatz ein und legte davor, als Kopfteil für ihr Bett und um die Wärme zu halten, eine hohe Schlafzimmerkommode auf die Seite. Es regnete die ganze Zeit. Er stellte Eimer unter die Fallrohre an den Hausecken, um frisches Wasser von dem alten Stehfalz-Metalldach aufzufangen, und nachts konnte er den Regen in den oberen Zimmern trommeln und durch das Haus tropfen hören.
Sie durchstöberten die Nebengebäude auf der Suche nach Nützlichem. Er fand eine Schubkarre, kippte sie um, drehte langsam das Rad und untersuchte dabei den Reifen. Der Gummi war glänzend und rissig, aber er glaubte, der Reifen könnte die Luft halten, durchwühlte alte Kisten und durch-eineinandergeworfene Werkzeuge, fand eine Fahrradpumpe, schraubte das Ende des Schlauchs auf den Ventilschaft des Reifens und begann zu pumpen. Um die Felge herum trat Luft aus, aber er drehte das Rad und ließ den Jungen den Reifen an- drücken, bis der Wulst sich unter das Felgenhorn schob und er den Reifen aufgepumpt bekam. Er schraubte den Schlauch der Pumpe ab, drehte die Schubkarre um und rollte sie einmal hin und her. Dann schob er sie nach draußen, damit der Regen sie sauber wusch. Als sie das Haus zwei Tage später verließen, hatte es aufgeklart, und sie machten sich mit der Schubkarre,
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