Die Straße
oder in der Brandung hin und her geworfen verkohlte, sinnlose Artefakte. Sie sammelten Treibholz, schichteten es, deckten es mit der Plane ab und machten sich auf den Weg den Strand entlang. Wir sind Strandgutsammler, sagte er.
Was ist das?
Das sind Leute, die am Strand entlanggehen und nach wertvollen Dingen suchen, die vielleicht angeschwemmt worden sind.
Was für Dinge?
Alles Mögliche. Alles, was man irgendwie verwenden kann.
Meinst du, wir finden etwas?
Ich weiß nicht. Wir schauen mal.
Schauen wir mal, sagte der Junge.
Sie standen auf der Mole und blickten nach Süden. In dem Steinbecken das mähliche Gekräusel einer grauen Salzbrühe. Dahinter die langgezogene Kurve des Strandes. Grau wie Lavasand. Der vom Wasser kommende Wind roch schwach nach Jod. Das war alles. Er hatte keinerlei Meeresgeruch. Auf den Steinbrocken die Überreste irgendeines dunklen Tangs. Sie überquerten die Mole und gingen weiter. Am Ende des Strandes versperrte ihnen eine felsige Erhebung den Weg, und sie verließen den Strand und nahmen einen alten Pfad zwischen den Dünen und dem toten Strandhafer hindurch, bis sie auf einer flachen Landzunge herauskamen. Unter ih- nen eine gekrümmte Landspitze, verschleiert von dem dunklen Nebel, der das Ufer entlangwehte, und dahinter, auf der Seite festliegend, der Rumpfeines Segelbootes. Sie kauerten beobachtend in den trockenen Grasbüscheln. Was sollen wir tun?, fragte der Junge.
Beobachten wir es erst mal eine Weile.
Mir ist kalt.
Ich weiß. Bewegen wir uns ein Stück weiter. Aus dem Wind heraus.
Die Arme um den Jungen vor ihm gelegt, saß er da. Das tote Gras knisterte leise. Graue Ödnis dort draußen. Das endlos sich hinziehende Meer. Wie lange müssen wir hier sitzen?, fragte der Junge.
Nicht lange.
Glaubst du, es sind Leute auf dem Boot, Papa?
Nein, das glaube ich nicht.
Sie müssten ganz schräg stehen.
Ja, das müssten sie. Kannst du da draußen irgendwelche Spuren sehen?
Nein.
Warten wir einfach noch eine Weile.
Mir ist kalt.
Während sie den halbmondförmigen Strand entlangmarschierten, hielten sie sich auf dem festeren Sand unterhalb des Spülsaums. Ihre Kleider flatterten leise, als sie stehen blieben. Glasschwimmer, mit einer grauen Kruste überzogen. Die Knochen von Seevögeln. An der Flutlinie ein Gewirr aus Seetang und Millionen von Fischgräten, das sich wie eine Isokline des Todes am Ufer hinzog, so weit das Auge reichte. Ein riesiges salziges Grab. Sinnlos. Sinnlos.
Vom Ende der Landzunge bis zu dem Boot waren es vielleicht dreißig Meter offenes Wasser. Sie standen da und betrachteten das Boot. Etwa zwanzig Meter lang. Abgetakelt bis auf das Deck und in drei bis vier Meter tiefem Wasser auf der Seite liegend. Es war einmal ein Zweimaster gewesen, aber die Masten waren knapp über dem Deck abgebrochen, und von den Aufbauten waren nur noch ein paar Messingklampen und einige Stützen der Reling entlang dem Deckrand geblieben. Das und der Stahlreifen des Steuerrades, der achtern aus der Plicht ragte. Er drehte sich um und musterte den Strand und die Dünen dahinter. Dann gab er dem Jungen den Revolver und begann seine Schnürsenkel zu lösen.
Was hast du vor, Papa?
Ich sehe es mir mal an.
Kann ich mitkommen?
Nein. Ich möchte, dass du hierbleibst.
Ich möchte aber mitkommen.
Du musst Wache halten. Außerdem ist das Wasser tief.
Werde ich dich sehen können?
Ja. Ich werde immer wieder nach dir schauen. Um mich zu vergewissern, dass alles okay ist.
Ich will aber mit.
Er hielt inne. Das geht nicht, sagte er. Unsere Kleider würden wegwehen. Irgendwer muss aufpassen.
Er faltete alles zusammen und schichtete es aufeinander. Gott, war das kalt. Er bückte sich und küsste den Jungen auf die Stirn. Hör auf, dir Sorgen zu machen. Halt einfach Ausschau. Er watete nackt ins Wasser, blieb stehen und machte sich damit nass. Dann stapfte er platschend weiter und tauchte kopfüber darin ein.
Er schwamm den Stahlrumpf entlang, wendete und trat, vor Kälte keuchend, Wasser. Mittschiffs lag die Scheuerleiste knapp unter Wasser. Er zog sich bis zum Heckwerk. Der Stahl war grau und vom Salz aufgeraut, aber er konnte die verblass-ten Goldbuchstaben ausmachen. Päjaro de Esperanza. Tene-rife. Zwei Davits ohne Rettungsboot. Er packte die Scheuerleiste, zog sich an Bord, drehte sich um und kauerte zitternd auf dem schrägen Holzdeck. Ein paar Stücke geflochtenes Kabel, an den Spannschrauben abgerissen. Im Holz gezackte Löcher, wo es
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