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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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gestapelt hatte, ging er in die Kombüse zurück und machte sich daran, einen der Brenner von dem kleinen, kardanisch aufgehängten Herd abzumontieren. Er löste den Geflechtschlauch, nahm die Aluminiumaufsätze von den Brennern ab und steckte einen davon in seine Jackentasche. Mit einem Schraubenschlüssel löste er die Messingmuttern der Anschlusssrücke, sodass die Brenner locker saßen. Dann löste er sie vollends, befestigte den Schlauch am Verbindungsrohr, schloss das andere Ende des Schlauchs an der Gasflasche an und trug beides in die Messe. Als Letztes bündelte er mit einer Plastikplane einige Dosen Saft, Obst und Gemüse, verschnürte die Plane mit einer Kordel, zog sich aus, legte seine Kleider zu den Sachen, die er gesammelt hatte, ging nackt an Deck, ließ sich mit der Plane zur Reling hinabgleiten, schwang sich über die Kante und ließ sich in das graue, eiskalte Wasser fallen.
     
     
    Im letzten Licht watete er an Land, setzte sein Bündel ab, strich sich das Wasser von Armen und Brust und ging seine Kleider holen. Der Junge folgte ihm. Er fragte ihn unentwegt nach seiner Schulter, die von den Rammstößen gegen das Luk blau verfärbt war. Alles in Ordnung, sagte der Mann. Es tut nicht weh. Wir haben haufenweise Zeug. Wart̕s ab, bis du das siehst.
     
    Sie eilten gegen das Licht den Strand entlang. Und wenn das Boot wegtreibt?, fragte der Junge.
    Es treibt nicht weg.
    Es könnte aber.
    Nein. Mach voran. Hast du Hunger?
    Ja.
    Wir werden heute Abend gut essen. Aber wir müssen uns ranhalten.
    Ich beeile mich ja schon, Papa.
    Und es wird vielleicht regnen.
    Woher weißt du das?
    Ich kann es riechen.
    Wonach riecht das denn?
    Nach feuchter Asche. Mach voran.
    Dann blieb er stehen. Wo ist der Revolver?, fragte er.
    Der Junge erstarrte. Er wirkte zu Tode erschrocken.
    Mein Gott, sagte der Mann. Er blickte den Strand entlang zurück. Das Boot war bereits außer Sicht. Er sah den Jungen an. Der Junge hielt sich den Kopf und war den Tränen nahe. Es tut mir leid, sagte er. Es tut mir wirklich leid.
    Der Mann setzte die Plane mit den Dosen ab. Wir müssen zurück.
    Es tut mir leid, Papa.
    Ist schon okay. Er wird noch da sein.
    Der Junge ließ die Schultern hängen. Er begann zu schluchzen. Der Mann kniete sich hin und legte die Arme um ihn. Schon gut, sagte er. Eigentlich bin ich derjenige, der auf den Revolver achten muss, und ich habe es nicht getan. Ich habe es vergessen.
    Es tut mir leid, Papa.
    Na komm. Das wird schon. Alles okay.
     
    Der Revolver war dort, wo er ihn im Sand hatte liegenlassen. Der Mann hob ihn auf, schüttelte ihn, setzte sich hin, zog den Trommelstift und reichte ihn dem Jungen. Halt das mal, sagte er.
    Ist er okay, Papa?
    Natürlich ist er okay.
    Er ließ die Trommel auf seine Handfläche rollen, pustete den Sand davon weg, reichte sie dem Jungen, pustete durch den Lauf, pustete den Sand vom Rahmen, nahm dem Jungen die Einzelteile aus der Hand, setzte alles wieder zusammen, spannte den Hahn, ließ ihn langsam herab und spannte ihn erneut. Er drehte die Trommel so, dass die echte Patrone vor den Hahn kam, ließ den Hammer herunter, steckte den Revolver in seinen Parka und stand auf. Alles okay, sagte er. Komm.
    Holt uns jetzt die Dunkelheit ein?
    Ich weiß nicht.
    Sie tut̕s. Stimmt̕s?
    Komm. Wir beeilen uns.
     
    Die Dunkelheit holte sie tatsächlich ein. Bis sie bei dem Pfad über die Landzunge anlangten, war es zu dunkel, als dass überhaupt noch etwas zu sehen gewesen wäre. Sie standen im auflandigen Wind, das Gras um sie herum zischelte, der Junge hielt sich an seiner Hand fest. Wir müssen einfach weitergehen, sagte der Mann. Komm.
    Ich sehe nichts.
    Ich weiß. Wir machen einfach einen Schritt nach dem anderen.
    Okay.
    Lass nicht los.
    Okay.
    Ganz egal, was passiert.
    Ganz egal, was passiert.
     
     
    Sie gingen in der vollkommenen Schwärze weiter, hilflos wie Blinde. Er hielt eine Hand vor sich, obwohl es auf dieser Salzheide nichts gab, womit man zusammenstoßen konnte. Die Brandung hörte sich an, als wäre sie weiter weg, aber er orientierte sich auch anhand des Windes, und nachdem sie fast eine Stunde lang dahingewankt waren, ließen sie Gras und Strandhafer hinter sich und standen wieder auf dem tro-ckenen Sand des oberen Strandes. Der Wind war kälter. Er hatte den Jungen gerade auf seine Windschattenseite geholt, als der Strand vor ihnen plötzlich aus der Dunkelheit hervor-zuzucken schien und wieder verschwand.
    Was war das, Papa?
    Alles okay. Es blitzt. Komm.
    Er

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