Die Straße
sah nach dem Jungen. Der lag zusammengerollt im Sand und schlief, den Kopf auf dem Kleider stapel.
Er trug den Werkzeugkasten und eine der Gasflaschen in die Kombüse und machte einen letzten Rundgang durch die Kabinen. Dann durchsuchte er die Spinde in der Messe, sah Aktenordner und Papiere in Plastikboxen durch, um das Schiffstagebuch zu finden. Er fand ein Porzellanservice, das unbenutzt in einer mit Holzwolle gefüllten Kiste verpackt war. Das meiste davon zerbrochen. Ein Service für acht Personen mit aufgedrucktem Schiffsnamen. Ein Geschenk, dachte er. Er nahm eine Teetasse heraus, drehte sie in der Hand und legte sie zurück. Das Letzte, was er fand, war ein würfelförmiger Eichenholzkasten mit Eckfugen in Schwalbenschwanzverbindung und einer in den Deckel eingelassenen Messing- platte. Zunächst dachte er, es könnte sich um einen Humidor handeln, aber der Kasten hatte die falsche Form, und als er das Gewicht spürte, wusste er, was es war. Er ließ die korrodierten Verschlüsse aufschnappen und klappte den Deckel auf. In dem Kasten lag ein Sextant aus Messing, möglicherweise hundert Jahre alt. Er hob ihn aus dem mit passenden Vertiefungen ausgestatteten Kasten und hielt ihn in der Hand. War überwältigt von seiner Schönheit. Das Messing war stumpf, und es gab grüne Flecken, die sich zur Form einer anderen Hand ergänzten, die den Sextanten einmal gehalten hatte, doch ansonsten war das Gerät makellos. Er wischte den Grünspan von der unten angebrachten Plakette. Hezzaninth, London. Er hielt sich das Fernrohr ans Auge und drehte am Einstellring. Es war seit langem der erste Gegenstand, der ihn tiefbewegte. Er hielt ihn in der Hand, dann legte er ihn in den mit blauem Filz ausgeschlagenen Kasten zurück, schloss den Deckel, ließ die Verschlüsse zuschnappen, stellte den Kasten in den Spind zurück und schloss die Tür.
Als er an Deck zurückkehrte, um nach dem Jungen zu sehen, war dieser nicht da. Ein Moment der Panik, ehe er ihn, den Revolver in der herabhängenden Hand, mit gesenktem Kopf strandabwärts an der Böschung entlanggehen sah. Während er da stand, spürte er, wie der Bootsrumpf sich hob und verrückte. Nur ganz leicht. Die Flut kam. Klatschte dort unten an die Steinbrocken der Mole. Er drehte sich um und ging wieder in die Kajüte hinunter.
Er hatte die zwei Seilrollen aus dem Spind geholt, maß mit der Spanne ihren Durchmesser, multiplizierte diesen mit drei und zählte dann die Windungen. Zwei Fünfzig-Fuß-Seile. Er hängte sie auf dem grauen Teakholzdeck an eine Klampe und kehrte in die Kajüte zurück. Er suchte alles zusammen und sta- pelte es am Tisch. Im Kombüsenspind standen ein paar Wasserkanister aus Plastik, doch bis auf einen waren sie alle leer. Er nahm einen der leeren in die Hand und sah, dass das Plastik gesprungen und das Wasser herausgelaufen war. Vermutlich waren sie irgendwo auf den Irrfahrten des Bootes gefroren. Wahrscheinlich sogar mehrmals. Er nahm den halbvollen Kanister, stellte ihn auf den Tisch, schraubte den Deckel ab, schnupperte daran, hob den Kanister mit beiden Händen und trank. Und trank noch einmal.
Die Dosen auf dem Kombüsenboden machten nicht den Eindruck, als seien sie noch verwertbar, die im Spind waren stark angerostet oder zeigten unheilvolle Aufwölbungen. Sämtliche Etiketten waren entfernt worden, und was die Dosen enthielten, hatte man mit schwarzem Penmarker auf Spanisch daraufgeschrieben. Was er nur teilweise verstand. Er ging sie durch, schüttelte sie, drückte sie mit der Hand. Er stapelte sie auf der Arbeitsplatte über dem kleinen Kombüsenkühlschrank. Er dachte, dass es irgendwo im Laderaum verstaut kistenweise Lebensmittel geben müsse, glaubte aber nicht, dass irgendetwas davon noch essbar war. Im Einkaufswagen konnten sie ohnehin nur begrenzte Mengen mitnehmen. Ihm kam der Gedanke, dass er diesen unverhofften Glücksfall auf gefährliche Weise für fast schon selbstverständlich nahm, doch er blieb bei dem, was er schon einmal gesagt hatte. Dass Glück wahrscheinlich anders aussah. Es gab nur wenige Nächte, in denen er, wenn er im Dunkeln lag, die Toten nicht beneidete.
Er fand eine Dose Olivenöl und ein paar Dosen Milch. Tee in einer verrosteten Büchse. Einen Plastikbehälter mit irgendeiner undefinierbaren Mahlzeit. Eine halbleere Kaffeekanne. Systematisch ging er die Borde im Spind durch und sortierte aus, was er mitnehmen wollte. Als er alles in die Messe getragen und am Niedergang
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