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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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Ausrüstungsgegenstände herausgerissen hatte. Irgendeine schreckliche Kraft, die alles von Deck gefegt hatte. Er winkte dem Jungen zu, doch der winkte nicht zurück.
     
     
    Die Kajüte war niedrig, mit gewölbtem Dach und Bullaugen an den Seiten. Er kauerte sich hin, wischte das graue Salz weg und schaute hinein, konnte aber nichts sehen. Er versuchte, die niedrige Teakholztür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Er rammte sie mit seiner knochigen Schulter. Er sah sich nach etwas um, womit er sie aufstemmen könnte. Er zitterte unkontrollierbar, und seine Zähne klapperten. Er überlegte, die Tür mit der Fußsohle einzutreten, entschied sich jedoch dagegen. Den Ellbogen in die Hand gestützt, rammte er die Tür erneut. Er spürte, wie sie nachgab. Ganz leicht nur. Er machte weiter. Der Türpfosten splitterte auf der Innenseite, die Tür gab endlich nach, er stieß sie auf und stieg den Niedergang hinunter.
     
    Am tiefer liegenden Schott stehendes Wasser, gefüllt mit nassen Papieren und Abfall. Über allem ein säuerlicher Geruch. Feucht und klamm. Er hatte geglaubt, das Boot sei geplündert worden, doch es war das Meer, das die Zerstörungen angerichtet hatte. Mitten in der Messe stand ein Mahagonitisch mit Schlingerborden an Scharnieren. Die Spindtüren standen offen, sämtliche Messingbeschläge von stumpfem Grün. Er ging weiter zu den vorderen Kabinen. Vorbei an der Kombüse. Auf dem Boden Mehl, Kaffee und Konserven, eingedellt und rostend. Ein Klosett mit Toilettenschüssel und Waschbecken aus rostfreiem Stahl. Durch die Bullaugen des Kajütsaufbaus fiel das schwache Meereslicht ein. Überall verstreut Gerätschaften. Eine im eingesickerten Wasser treibende Rettungsweste.
     
    Er rechnete halb mit irgendeinem Horrorbild, doch es gab keines. Die Matratzen in den Kabinen waren auf den Boden geschleudert worden, an der Wand waren Bettzeug und Kleidung aufgehäuft. Alles nass. Eine Tür des Bugspinds stand offen, doch es war zu dunkel, als dass er hineinsehen konnte. Er zog den Kopf ein, schob sich in den Spind und tastete um sich. Tiefe Fächer mit Holzklappen an Scharnieren. Auf dem Boden ein Haufen Seemannszeug. Er zerrte alles heraus und stapelte es auf dem schrägstehenden Bett. Decken, Schlechtwetterzeug. Er fand einen feuchten Pullover und zog ihn sich über. Er fand ein Paar gelbe Gummistiefel und eine Nylonjacke, zog beides an, schlüpfte in die steife gelbe Hose des Ölzeugs, schob sich mit den Daumen die Hosenträger auf die Schultern und fuhr in die Stiefel. Dann ging er wieder an Deck. Der Junge saß so da, wie er ihn zurückgelassen hatte, und beobachtete das Boot. Erschrocken stand er auf, und dem Mann wurde klar, dass er in seinen neuen Kleidern eine sonderbare Figur abgab. Ich bin̕s, rief er, aber der Junge stand einfach nur da, und der Mann winkte ihm zu und ging wieder unter Deck.
    In der zweiten Kabine gab es unter der Koje Schubladen, die noch an Ort und Stelle waren, und er rüttelte sie frei und zog sie heraus. Handbücher und Papiere auf Spanisch. Seifenriegel. Eine schwarze, mit Schimmel überzogene Reisetasche, die Papiere enthielt. Er steckte die Seife in die Jackentasche und stand auf. Auf der Koje verstreut Bücher auf Spanisch, aufgequollen und formlos. Eine einzelner Band in das Regal am vorderen Schott geklemmt.
     
    Er fand einen gummierten Seesack und durchstreifte mit in der Kälte knarzenden, gelben Ölzeughosen und Stiefeln den Rest des Schiffes, dessen Schräglage ihn zwang, sich an den Wänden abzustützen. Er füllte den Seesack mit den unterschiedlichsten Kleidungsstücken. Ein Paar Frauensportschuhe, von denen er meinte, sie würden dem Jungen pas- sen. Ein Klappmesser mit Holzgriff. Eine Sonnenbrille. Seine Suche hatte gleichwohl etwas Unsinniges. Wie wenn man, um etwas Verlorenes zu finden, zuerst an den unwahrscheinlichsten Stellen nachsieht. Schließlich ging er in die Kombüse. Er machte den Herd an und wieder aus.
     
     
    Er entriegelte und hob die Luke zum Maschinenraum. Halb unter Wasser und stockdunkel. Kein Benzin- oder Ölgeruch. Er schloss sie wieder. In die Bänke der Plicht waren Spinde eingebaut, die Sitzkissen, Segeltuch, Angelgerät enthielten. In einem Spind hinter dem Sockel des Steuerrads fand er mehrere Rollen Nylonseil, Gasflaschen und eine Werkzeugkiste aus Fiberglas. Er setzte sich auf den Boden und sah das Werkzeug durch. Rostig, aber brauchbar. Zange, Schraubenzieher, Schraubenschlüssel. Er klappte den Werkzeugkasten zu, stand auf und

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