Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
Vom Netzwerk:
warf sich das Bündel über die Schulter, nahm den Jungen bei der Hand, und sie gingen weiter, setzten die Füße wie Dressurpferde, um nicht über ein Stück Treibholz oder ein Wrackteil zu stolpern. Erneut zuckte das unheimliche graue Licht über den Strand. Weit weg ein leises, in der Düsternis gedämpftes Donnergrollen. Ich glaube, ich habe unsere Spuren gesehen, sagte er.
    Also sind wir auf dem richtigen Weg.
    Ja, wir sind auf dem richtigen Weg.
    Mir ist richtig kalt, Papa.
    Ich weiß. Bete, dass es blitzt.
     
     
    Sie gingen weiter. Als erneut Licht über den Strand zuckte, sah er, dass der Junge sich nach vorn beugte und vor sich hin flüsterte. Er suchte nach ihren Spuren vom Hinmarsch, sah sie jedoch nicht. Der Wind hatte noch stärker aufgefrischt, und er wartete auf die ersten Regentropfen. Wenn sie nachts draußen auf dem Strand von einem Gewitter überrascht würden, wären sie in Schwierigkeiten. Sie drehten die Gesichter aus dem Wind, hielten die Kapuzen ihrer Parkas fest. Der Sand prasselte gegen ihre Beine und stob im Dunkeln davon, nahe der Küste krachte Donner. Vom Meer her kam schräg und kräftig Regen, der ihnen ins Gesicht stach, und er zog den Jungen an sich.
    Sie standen in dem Guss. Wie weit waren sie gekommen? Er wartete auf den Blitz, doch der wurde schwächer, und nach dem nächsten und übernächsten wusste er, dass das Gewitter ihre Spuren ausgelöscht hatte. In der Hoffnung, den Umriss des Baumstammes zu sehen, an dem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, stapften sie weiter durch den Sand am oberen Rand des Strandes. Bald blitzte es so gut wie gar nicht mehr. Dann hörte er, als der Wind kurzzeitig drehte, ein fernes, leises Prasseln. Er blieb stehen. Hör mal, sagte er.
    Was denn?
    Hör doch.
    Ich höre nichts.
    Na, komm schon.
    Was denn, Papa?
    Es ist die Plane. Der Regen, der auf die Plane fällt.
     
    Sie gingen weiter, stolperten durch den Sand und den Abfall entlang dem Spülsaum. Gleich darauf stießen sie auf die Plane, er kniete sich hin, ließ das Bündel fallen, tastete nach den Steinen, mit denen er die Plane beschwert hatte, und schob sie darunter. Er hob die Plane an, zog sie über sie beide und benutzte die Steine dazu, die Ränder von innen unten zu halten. Dann schälte er den Jungen aus seiner nassen Jacke und zog, während der Regen durch die Plane auf sie herabtrommelte, die Decken über sie beide. Er warf seine eigene Jacke ab, drückte den Jungen an sich, und bald darauf waren sie eingeschlafen.
     
     
     
     
    In der Nacht ließ der Regen nach, und er wachte auf und lauschte. Das schwere Heranrauschen und Anprallen der Brandung, nachdem der Wind sich gelegt hatte. Im ersten trüben Licht stand er auf und ging am Strand entlang. Das Unwetter hatte allerlei auf das Ufer geworfen, und er ging auf der Suche nach Brauchbarem die Flutlinie entlang. In den Untiefen jenseits des Wellenbrechers dümpelte zwischen dem Treibholz eine alte Leiche. Er wünschte, er könnte sie vor dem Jungen verbergen, doch der hatte recht. Was gab es da zu verbergen? Als er zurückkam, war der Junge wach, saß im Sand und blickte ihm entgegen. Er war in die Decken gehüllt und hatte ihre nassen Jacken zum Trocknen auf dem toten Gras ausgebreitet. Der Mann ging zu ihm, ließ sich neben ihm nieder, und sie sahen zu, wie sich die bleierne See jenseits der Brecher hob und senkte.
     
    Sie brachten den größten Teil des Vormittags damit zu, das Boot zu entladen. Er unterhielt ein Feuer, watete nackt und zitternd an Land, ließ den Tampen fallen und stellte sich in die Wärme der lodernden Flammen, während der Junge den Seesack durch die leichte Dünung hindurch einholte und auf den Strand zog. Sie leerten den Sack und breiteten Decken und Kleidung zum Trocknen auf dem warmen Sand um das Feuer aus. Auf dem Boot gab es mehr, als sie mitnehmen konnten, und er dachte, sie könnten ein paar Tage an dem Strand bleiben und so viel wie möglich essen, doch das war gefährlich. In die- ser Nacht schliefen sie, ihre Sachen um sich herum verstreut, im Sand am Feuer, das die Kälte abhielt. Er erwachte hustend, stand auf, trank einen Schluck Wasser, zerrte mehr Holz aufs Feuer, ganze Stämme, die einen großen Funkenschauer aufstieben ließen. Das salzige Holz brannte orangerot und blau im Herzen des Feuers, und er saß lange da und betrachtete es. Später ging er den Strand hinauf, sein langer Schatten reichte weit über den Sand und wurde von den im Wind flackernden Flammen hin und her geworfen. Er

Weitere Kostenlose Bücher